Freitext: Adriana Altaras: Apropos weltoffen

 
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09.12.2016
 
 
 
 
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Apropos weltoffen
 
 
An jeder Dorfeinfahrt steht, wann Weihnachtsgottesdienst ist. Nirgendwo erfährt man, wann Chanukka beginnt. Muss man dafür etwa Netanjahu anrufen? Es geht auch anders.
VON ADRIANA ALTARAS

 
Chanukka-Markt in Berlin © Sean Gallup/Getty Images
 


Ja, ich lese Zeitung. „Das ist das große weiße Papier mit der schwarzen Schrift“, erkläre ich meinen Söhnen, die nur noch an Dinge glauben, die mit „online“ anfangen. In der Regel lese ich in der Woche Tageszeitungen, am Wochenende die Beilagen, regional, überregional, je nachdem, wo ich mich befinde und was zu haben ist. Unterwegs klaue ich gerne in der 1. Klasse der Bahn die Zeitung, um sie genussvoll in der 2. zu lesen. Das befriedigt meine kriminelle Ader und die Sozialistin in mir.

Jetzt aber habe ich mir für eine Zugfahrt die Jüdische Allgemeine gekauft. In keiner der renommierten Tageszeitungen konnte ich herausfinden, wann genau in diesem Jahr Chanukka anfängt und wieder aufhört. An jeder Dorfeinfahrt in Brandenburg kann man lesen, wann der Gottesdienst in der jeweiligen Kirche beginnt, sogar konfessionell aufgeschlüsselt. Muss ich, um zu wissen, wann die Berliner Synagogen gedenken, ihre Tore zu öffnen, Netanjahu anrufen? Ich hatte eine lange Strecke zurückzulegen, also las ich unser Gemeindeblatt vorn vorne bis hinten durch. Auf der Rückfahrt tat ich es wieder, von hinten nach vorne.

Als ich das meinen jüdischen Freunden erzählte, hielten sie mich für verrückt, sie fragten sich und mich, ob ich plane, orthodox zu werden, oder was diese plötzliche Hingabe zum Judentum zu bedeuten habe? Das Gemeindeblatt zu lesen, sei das Uncoolste, Rückständigste, Provinziellste, Unaufgeklärteste und dergleichen mehr, was man sich vorstellen könne. Warum ich nicht gleich die Apothekenrundschau abonnieren würde?

Was lesen denn sie, denke ich, was all das nicht ist? Was soll ich dazu sagen? Meine dörfliche Seele braucht in der Großstadt ein bisschen überschaubare Nachrichten, gleichsam von nebenan.

...

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