Vor sechs Wochen habe ich an dieser Stelle über die Problematik der massenhaften chinesischen Investitionen in Deutschland und Europa berichtet. Seit 2011 hatten die Chinesen 190 deutsche Unternehmen aufgekauft oder sich dort eingekauft; insgesamt hatten sie bis Ende 2014 sechs Milliarden Euro in Deutschland, 42 Milliarden Euro in Europa angelegt. Und ihr Kaufrausch hörte nicht auf: 121 Milliarden Dollar investierten sie 2015 im Ausland, und allein in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres weitere 140 Milliarden. Alles in allem belaufen sich ihre Auslandsinvestitionen mittlerweile auf rund 530 Milliarden.
Alle Welt erwartete, dass chinesische Unternehmen, staatliche wie private, ihre Einkaufstour massiv fortsetzen würden. Das weckte einerseits Hoffnung bei vielen schwächelnden Firmen, die sich eine stärkende Finanzspritze und verbesserten Zugang zum Milliardenmarkt Chinas erhofften. Andererseits weckte es bei westlichen Regierungen von Berlin über Washington und Canberra zunehmend auch sicherheitspolitische Besorgnisse.
Plötzlich gibt es scharfe Kontrollen
Doch jetzt hat die chinesische Regierung den Geldhahn auf einmal zugedreht. Ohne viel Aufhebens hat sie Anfang Dezember neue Regeln eingeführt, die den freien Kapitalverkehr erheblich einschränken: Finanztransaktionen über mehr als 10 Milliarden Dollar werden fortan scharfen Kontrollen unterworfen. Kein Staatskonzern darf noch mehr als eine Milliarde Dollar für den Erwerb oder die Beteiligung an einer ausländischen Firma aufwenden. Aber auch viele kleinere Deals, sofern sie Liegenschaften betreffen oder außerhalb des normalen Geschäftsfeldes der Unternehmen liegen, bedürfen nun einer besonderen Genehmigung. Dies gilt künftig für alle grenzüberschreitenden Transaktionen im Wert von mehr als 5 Millionen Dollar statt bisher 50 Millionen.
"Vorsicht, die Chinesen kommen!" – fürs Erste ist diese besorgte Warnung wohl überflüssig. Sie werden die Auslandsinvestitionen nicht ganz stoppen, sie aber sicherlich drastisch vermindern. Viele, die sehnsüchtig auf Investoren aus dem Reich der Mitte gewartet hatten, werden das bedauern. All jene aber werden aufatmen, die befürchteten, es würde unseren nationalen Industrien durch die chinesischen Aufkäufe der Boden unter den Füßen weggezogen. Und auch die westlichen Regierungen können ihre Sicherheitsbedenken erst einmal zurückstellen.
Was steckt hinter der Umbesinnung des Pekinger Regimes in puncto Auslandsinvestitionen? Ein Paradigmenwechsel, wie Übernahmeberater befürchten?
In erster Linie ist es wohl eine rein wirtschaftspolitische Entscheidung. Von dem gewaltigen Kapitalabfluss geht eine destabilisierende Wirkung aus. Binnen dreißig Monaten ist Chinas Devisenschatz von 4.300 auf 3.051 Milliarden abgeschmolzen; zuletzt allein im November um 70 Milliarden. Die Regulierungsbehörden haben festgestellt, dass es sich in vielen Fällen um reine Kapitalflucht handelt, die als Geschäftsübernahme getarnt wird. Auch soll durch die neuen Kapitalverkehrskontrollen einer weiteren Abwertung des Renminbi – 2016 über 6 Prozent – ein Riegel vorgeschoben werden.
Negative Wirkung für viele deutsche Firmen
Dabei könnten indessen nach Ansicht von Experten auch außenpolitische Erwägungen mitgespielt haben. Zum einen das Bestreben, den künftigen US-Präsidenten Donald Trump nicht durch eine fortgesetzte Abwertung zusätzlich zu reizen. Zum anderen die Absicht, die Spannungen im Verhältnis zu den ausländischen Handelspartnern zu vermeiden, die bei der Übernahme sicherheitspolitisch wichtiger Unternehmen entstehen. Beweisen lässt sich dies allerdings nicht.
Die strikteren Kapitalkontrollen haben zunächst einmal eine negative Wirkung, die vielen deutschen Firmen in China massive Schwierigkeiten bereitet. Zu den Auslandsüberweisungen in einer Höhe von über 5 Millionen Dollar zählen auch Gewinnrücküberweisungen, die Rückzahlung von Darlehen oder die Dividenden-Ausschüttungen deutscher Firmen an ihre Muttergesellschaften. Die Undurchsichtigkeit der neuen Regeln schafft da besondere Unsicherheit und belastet die Geschäftsführung – wie ja auch schon die urplötzlich eingeführte Luxussteuer, die Autos von Audi, Mercedes und BMW um 10 Prozent verteuert; sofern der Preis 178.000 Euro übersteigt.
Business as usual also – oder erschwerte Bedingungen im Handel mit der Volksrepublik, dessen Volumen sich 2015 auf 163 Milliarden Euro belief?
Noch ist nicht sicher, dass die neue chinesische Regelung so heiß gegessen werden muss wie gekocht. Schwerlich werden die Chinesen das Investieren in Europa ganz einstellen. Das zeigen zwei Projekte auf ihrer Kaufliste: die Zentralbibliothek in Sheffield, die ein chinesischer Investor in ein Fünf-Sterne-Hotel verwandeln will, und der Landgasthof The Plough in Cadsden/Buckinghamshire, wo der chinesische Präsident Xi Jinping und Premierminister David Cameron vor einem Jahr eine ländliche Mahlzeit von Fish and Chips mit einem Pint Greene-King-Bier hinunterspülten. Beide Investoren rechnen mit Massen von chinesischen Touristen. |
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