Niall Ferguson im ZEIT-Gespräch | Drei Finanzierungswünsche in der Lehre | Der Fall Niels Birbaumer | Dr. acad. Sommer über familien(un)freundliche Bewerbungsverfahren

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
   
 
Liebe Leserinnen und Leser,
heute ist großes Schaulaufen der  Forscherprominenz im CHANCEN Brief. Was Niall Ferguson, Niels Birbaumer und Jürgen Habermas zu sagen haben, hat zwar immer Nachrichtenwert. In diesen Tagen stehen die drei allerdings ganz besonders im Licht (Das ist wichtig, Personalien). Um den Kampf gegen familien(un)freundliche Bewerbungsverfahren kümmert sich Dr. acad. Sommer, und in der Fußnote gibt es Mehrdeutiges auf die Ohren.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Niall Ferguson im Gespräch: „Wir Akademiker stehen unter Beschuss“
Konservative lieben ihn, Studierende halten ihn für „einen weißen Rassisten“ – und wie sieht er sich selbst? Der Historiker Niall Ferguson beschreibt sich im ZEIT-Gespräch mit Anna-Lena Scholz als „altmodischen Calvinisten“ mit „düsterem Temperament“ und erklärt sein Selbstverständnis als intellektueller Mahner, akademischer Lehrer und als Kämpfer für die Wissenschaftsfreiheit. Vor allem aber überrascht der 55-jährige Forscherstar mit einem Bekenntnis: Niall Ferguson hadert mit seinem Ruf. Zu lesen ist das Interview im CHANCEN-Teil der aktuellen ZEIT ab Seite 61.
  
 
 
Drei Finanzierungswünsche in der Lehre
Seitdem Bund und Länder den Digitalpakt für die Schulen diskutiert und beschlossen haben, ist der Wunsch nach einem Digitalpakt für die Hochschulen in der Welt. Die jüngste Ausgabe des Hochschul-Barometers offenbart den Digitalisierungsbedarf in der Lehre. So fragten der Stifterverband und die Nixdorf-Stiftung in den Chefetagen der Hochschulen, wofür die Fördermillionen eigentlich genau verwendet werden sollten, die Bund und Länder für Innovationen in der Lehre ab 2021 ausgeben wollen. Antwort: 24,7 Prozent der Summe sollen in die digitale Infrastruktur fließen, erst dahinter folgen Investitionen in Lehrkonzepte (24 Prozent) und die Unterstützung engagierter Lehrender (22 Prozent). Ob der Verteilungsschlüssel umgesetzt wird, ist völlig offen. Die Organisation, die ab 2021 die 110 Millionen Euro des Bundes und ab 2024 dann auch die 40 Millionen Euro der Länder verteilen soll, ist noch nicht gefunden. 
  
 
 
Birbaumer gerät in Fälschungsaffäre weiter unter Druck – und bestreitet die Vorwürfe
Das Ereignis wirft Deutschlands Wissenschaft im weltweiten Wettlauf um Reputation zurück: Niels Birbaumer, Hirnforscher und Vorzeige-Wissenschaftler aus Tübingen, hat im Umgang mit Daten gepfuscht. Zu dem Urteil kam jetzt jedenfalls eine Untersuchungskommission der Uni Tübingen (Süddeutsche Zeitung, Deutschlandfunk, Spiegel-Online). Das wissenschaftliche Fehlverhalten betrifft eine 2017 im Fachjournal Plos Biology publizierte Studie. Darin beschrieben Birbaumer und sein Mitarbeiter Ujwal Chaudhary ein Verfahren, das ihren Angaben zufolge die Kommunikation mit vollständig Gelähmten ermöglichen würde. Viele Medien berichteten darüber, auch die ZEIT. Erste Verdachtsmomente zu Unstimmigkeiten kamen einem Tübinger Statistiker im Jahr 2018. Die Süddeutsche Zeitung berichtete Anfang April diesen Jahres als erstes über den Forschungsskandal, dessen ganzes Ausmaß noch nicht ergründet ist. Nach dem Votum der Tübinger Kommission sollen nun alle Publikationen, "an denen die beiden betroffenen Wissenschaftler seit 2014 mitgewirkt haben", von externen Wissenschaftlern geprüft werden. Das Gremium forderte Birbaumer zudem auf, die umstrittene Studie zurückzuziehen. Genau das lehnt der 73-Jährige ab. Birbaumer bestreitet den Vorwurf und spricht der universitären Untersuchungskommission die Kompetenz ab (Welt).
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
 
 
Personen
 
 
   
  
Jürgen Habermas wird 90 Jahre – und die Gratulanten stehen Schlange
Deutschland feiert Jürgen Habermas. Der Philosoph wird am kommenden Dienstag 90 Jahre alt. Auf neun Seiten hat die ZEIT im Feuilleton Stimmen prominenter Gratulant_innen zum Jubiläum versammelt: Peter E. Gordon, Martin Seel, Richard J. Bernstein, Eva Illouz, Manfred Frank, Armin von Bogdandy, Rahel Jaeggi, Kenichi Mishima, Helga Nowotny, Hartmut Rosa, Claus Offe, Rainer Forst, Axel Honneth, Andrea Sangiovanni, Rajeev Bhargava, Christoph Menke, Seyla Benhabib, Sigmar Gabriel und Michael Adrian.   
 
Gesine Grande unterliegt Mark Mietzner bei der Rektorwahl
Bei den Rektorwahlen an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur ist Amtsinhaberin Gesine Grande überraschend gescheitert. Die Stimmenmehrheit im Erweiterten Senat errang Mark Mietzner und damit ein externer Kandidat. Der 40-jährige Betriebswirt ist aktuell Dekan und kaufmännischer Leiter der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Seine Amtszeit in Leipzig beginnt am 1. Oktober. Gesine Grande führte die Hochschule seit 2014 (Leipziger Volkszeitung).
  
 
Greta Thunberg soll Ehrendoktorin an belgischer Uni werden
Die Universität im belgischen Mons will Greta Thunberg im Herbst die Ehrendoktorwürde der Hochschule verleihen. Zusammen mit der 16-jährigen Klimaaktivistin aus Schweden sollen auch der britische Ökonom Sir Nicholas Stern und der frühere französische Umweltminister und Filmemacher Nicolas Hulot zum "Docteur Honoris Causa" ernannt werden. Auch sie engagieren sich im Kampf gegen die globale Erwärmung (Spiegel-Online).
 
Walter Rosenthal bleibt Präsident der Uni Jena
Die Universität Jena hat sich für Kontinuität an der Spitze entschieden. Bis zum Herbst 2026 soll Walter Rosenthal ihr Präsident bleiben. Der Medizinwissenschaftler aus Siegen leitet die Universität seit Oktober 2014. Das Amt übernahm er damals von Klaus Dicke.
  
 
Job: Kunst und Physik in Wien
Das politische Wien erholt sich noch vom Schock der Ibiza-Affäre, die Wissenschaft zieht routiniert weiter. Das Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität hat eine Professur für „Topologische und komplexe Materialien“ ausgeschrieben und die Akademie für Bildende Künste in Wien eine Professur für das Fach Farbenlehre, Farbenchemie und Materialkunde. Mehr dazu im aktuellen ZEIT-Stellenmarkt.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
 
   
Ich habe mich kürzlich bei einer kleinen Stiftung auf eine Forschungsförderung beworben und bin aus formalen Gründen abgelehnt worden, da meine Promotion 4,5 Jahre zurückliegt (erlaubt waren 4). Nur: Dass ich in dieser Zeit ein Kind bekommen habe, wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt! Bei der Stiftung sagte man mir, es täte ihnen leid, aber so seien nun mal ihre Regeln. Was jetzt? Klagen? Öffentlichen Aufstand anzetteln??
 
Liebe X,
mit Ihrer Empörung haben Sie zunächst einmal Recht. Fast alle großen Forschungsförderer erkennen mittlerweile Kinderbetreuungszeiten an oder haben andere Wege gefunden, um auf die individuelle Lebensplanung ihrer Antragsteller einzugehen. Im Jahr 2019 gehört das schlichtweg dazu, wenn man modern und familienfreundlich auftreten will.
Allerdings hat die Stiftung, mit der Sie hier in Kontakt waren, tatsächlich konsequent und richtig gehandelt, denn sie muss die Regeln einhalten, die sie nach außen kommuniziert. Andernfalls macht sie sich angreifbar. Insofern müssen Sie die Ablehnung wohl leider akzeptieren.
Eine Klage käme, wenn überhaupt, nur in Frage, wenn die Bewerbungsrichtlinien Frauen systematisch schlechtere Chancen als Männern einräumen würden – zum Beispiel, wenn Elternzeit nur bei Männern anerkannt würde. Hier könnten Sie versuchen, vor Gericht eine Gleichbehandlung zu erstreiten. Aber solange beide Geschlechter „gleich schlecht“ behandelt werden, hat der Rechtsweg meines Erachtens keinen Sinn. Ein Recht auf familienfreundliche Förderungsbedingungen, auf das Sie sich berufen könnten, gibt es aktuell (leider) nicht.
Sie können natürlich stattdessen versuchen, die Stiftung zur Überarbeitung ihrer Richtlinien zu bewegen – nicht rückwirkend, aber zumindest für zukünftige Bewerbungsrunden. Dazu ist auch gar kein öffentlicher Aufstand nötig, sondern es reicht wahrscheinlich schon sanfter Druck und eine Gesprächsrunde. Von der Familien- oder Gleichstellungslobby bekommen Sie mit Sicherheit ebenfalls Unterstützung. Bringen Sie dabei auch ein wenig Verständnis für die Situation kleiner Stiftungen mit: Sie werden oft aus dem Nachlass von Philanthrop/innen oder Ehepaaren gebildet, sind personell eher knapp besetzt und müssen ständig auf ihre Verwaltungskosten achten, damit noch genügend Geld für die Förderung übrig bleibt. Das führt teilweise dazu, dass Bewerbungsverfahren nicht klar ausformuliert sind oder lange brauchen, um modernisiert zu werden. Wenn Sie der Stiftung entgegenkommen möchten, machen Sie daher ruhig einen konkreten Vorschlag, wie die Richtlinien familienfreundlicher gestaltet werden können. Eine solche Verbesserung käme zwar nur noch nachfolgenden Bewerber/innen zugute – aber Sie verdienen sich dabei auf jeden Fall ein Stück gutes Karma!
 
Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer“.
   
 
   
 
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym eine Frage!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Wir stehen unter Beschuss«
Der Historiker Niall Ferguson über akademische Freiheit, den Hass auf konservative Professoren – und seinen Aberglauben
 
Es geht alle an Der Judenhass in Deutschland nimmt zu. Was tun? Seit dieser Woche gibt es eine neue Anstrengung: Die Initiative stopantisemitismus.de, ein Projekt der ZEIT-Stiftung. Hier erzählen drei der beteiligten Experten von ihren Erfahrungen Teilweise bewölkt Eine Schul-Cloud soll digitalen Unterricht in ganz Deutschland ermöglichen. Klappt das? Wir verwildern gemeinsam Elternzeit verändert – alles. Rudi Novotny kriegt das zu spüren

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Einfach mehrdeutig
Für die Wissenschaft und Gesellschaft ist es das Problem der Stunde: Viele Menschen wünschen sich einfache Antworten – egal wie komplex der Sachverhalt ist. Mehrdeutigkeit ist ihnen ein Greuel, ihre Ambiguitätstoleranz gering. Was es mit diesem stabilen Persönlichkeitsmerkmal auf sich hat, ob und wie es sich trainieren lässt, und wie Ambiguitätstoleranz die menschliche Kooperationsbereitschaft und damit das Klima menschlichen Zusammenlebens bestimmt, haben Wissenschaftler untersucht. Eine Zusammenfassung des Forschungsstands findet sich in dem hörenswerten Beitrag „Mut zur Mehrdeutigkeit“ von Wolfgang Streitbörger (ARD-Audiothek). Zum Skript der Sendung geht es hier entlang (PDF). Wer tiefer einsteigen will, kann den Essay „Die Vereindeutigung der Welt“ zur Hand nehmen, den der Münsteraner Islamwissenschaftler Thomas Bauer im Frühjahr 2018 veröffentlichte.
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Ganz eindeutig, es ist Sommer!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Online Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten:
   
Naturwissenschaften und Life Sciences
 
Medizin, Gesundheit und Psychologie
 
Ingenieure, IT und Technik
 
Verwaltung, Management und Recht
 
Pädagogik und Soziales
 
Kunst und Kultur
 
Medien und Kommunikation
 
Internationale Zusammenarbeit