Interview mit László Palkovics | Elsevier macht Wissenschaftsforschung | Gastkommentar Volker Balli: Europa studieren | Wissenschaftspolitikkommunikation

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Thema heute: Europa. Da wäre einerseits EU-Mitgliedsland Ungarn, um dessen Wissenschaftsfreiheit gerungen wird, und andererseits sind da die 17 Europa-Unis, die die EU-Kommission jetzt auserwählt hat (Das ist wichtig; Gastkommentar). In der Fußnote geht es um komplexe Kommunikation. Wir empfehlen anschließend einen kühlen Drink...
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Interview mit László Palkovics
Die ungarische Regierung setzt Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen unter Druck – die Central European University in Budapest, die Akademie der Wissenschaften, die Universitäten. Ist die akademische Freiheit in Ungarn in Gefahr? Nein – das sagt jedenfalls László Palkovics, Minister für Innovation und Technik im Kabinett von Viktor Orbán. Im ZEIT-Interview mit Anna-Lena Scholz nimmt er Stellung zum Vorwurf, die Wissenschaftsakademie werde entmachtet („Da haben wir einen Meinungsunterschied“); erläutert, dass er seine Wissenschaftspolitik nach deutschem Vorbild gestalten wolle („exakt so wie bei der Max-Planck-Gesellschaft“); sagt, was Gender Studies und U-Boot-Forschung miteinander gemein haben („Es geht um Prioritäten“). Und Palkovics kritisiert auch jene deutschen Wissenschaftsorganisationen, die ihm im Februar einen Offenen Brief geschrieben und kritisiert hatten („Sie haben aus der Presse irgendetwas gehört.“) Das ganze Interview: CHANCEN, S. 62; online hier
  
 
 
Elsevier macht Wissenschaftsforschung
Manch einem ist der Wissenschaftsverlag Elsevier der Teufel. Elsevier selbst aber versteht sich als Dienstleister für eine hochkomplex agierende, globale Forschungscommunity. Entsprechend soll diese Meldung wohl eine Ansage sein: Elsevier gründet ein International Center for the Study of Research. Das Forschungszentrum “will listen closely to the research community’s needs and will identify, review, develop and foster the use of rich and precise qualitative and quantitative indicators of research inputs, activities, outputs and outcome”, schreibt Elsevier. Wer kritisch die Augenbrauen lupft, bedenke auch: Viele Universitäten in Deutschland wissen nicht einmal, wieviele Doktorandinnen und Doktoranden sie haben. Ein Wunder, dass Unternehmen in diese Lücke drängen?
  
 
 
Europäische Universitäten
Universitäten für Europa! Eine Vision von Emmanuel Macron aus dem Jahr 2017, vorgetragen an der Universität Sorbonne – Sie erinnern sich. Auf die Euphorie (ZEIT 6/2018) folgte die Mühe der Ebene. Die Europäische Kommission stellte einige Euros bereit (85 Millionen für die erste Ausschreibungsrunde), formulierte eine Ausschreibung, die Universitäten schrieben ihre Anträge. 54 Bewerbungen gingen ein. Jetzt gab die Kommission bekannt, wer den Zuschlag erhält und künftig zu den 17 „European University Alliances“ gehört; involviert sind insgesamt 114 akademische Institutionen aus 24 Mitgliedsstaaten. Aus Deutschland sind dabei: FU Berlin und LMU München, die Universitäten Leipzig, Tübingen, Freiburg, Mainz, Bremen, die Hertie School of Governance, das KIT, die TU Darmstadt und TU Hamburg sowie die Hochschule für Bildende Künste Dresden. – Lesen Sie dazu auch den heutigen Gastkommentar von Volker Balli, Universität Lüneburg.
  
   
   
   
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Helmholtz
Die Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren ist Deutschlands größte Förderorganisation. 15.000 Wissenschaftler, fast 7.000 Doktoranden, 4,5 Milliarden Euro Budget. Der Mediziner Otmar D. Wiestler leitet die Organisation seit 2015 – und bleibt weiterhin an Bord. Der Senat wählte den 62-Jährigen soeben für eine zweite Amtszeit bis 2025.
 
Volkswagenstiftung
Es ist der Sommer der heißen Personalien. Helmholtz hat bereits entschieden; am 3. Juli wählt außerdem die DFG eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Peter Strohschneider. Und morgen entscheidet das Kuratorium der Volkswagenstiftung (Stiftungskapital: 3,2 Mrd. Euro), wer neuer Chef oder neue Chefin wird und auf Wilhelm Krull folgen wird.
 
Berlin
Neues Führungsteam für die Beuth Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin: Die Akademische Versammlung wählte den Betriebswirt Werner Ullmann zum neuen Präsidenten (Nachfolge Monika Gross); als Vizepräsidenten amtieren ab 1. Oktober außerdem Kai Kummert, Silke Köhler und Thomas Reck. Im Tagesspiegel äußerte sich Ullmann bereits über die Umbenennung der Hochschule und sagte, er sehe einer solchen offen entgegen.
 
Düsseldorf I
Führungswechsel auch am Rhein – die Hochschule Düsseldorf hat eine neue Präsidentin; Edeltraud Vomberg übernahm soeben das Amt von Brigitte Grass, die die Hochschule zehn Jahre geleitet hatte. (Rheinische Post)
 
Düsseldorf II
Gleich Stadt, andere Hochschule – an der Universität Düsseldorf bleibt alles beim Alten. Rektorin Anja Steinbeck und Kanzler Martin Goch wurden wiedergewählt.
 
Job: Humboldt Forum
Es könnte einer der attraktivsten Jobs der Republik sein; etwas Langmut und die Fähigkeit zur Diplomatie ist aber sicherlich auch vonnöten. Das Humboldt Forum, dessen Eröffnung sich bekanntlich verschiebt, sucht jetzt im ZEIT Stellenmarkt eine Direktorin (m/w/d). Was man für den Job braucht: Fachkenntnisse im Bereich Kulturelle Bildung, Expertise in der Wissensvermittlung, Erfahrung in Lehre und Forschung. Glück auf!
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Volker Balli
   
 
   
Europa studieren
Seit gestern stehen die ersten geförderten Europäischen Hochschulallianzen fest: 17 Allianzen mit einem jeweils spezifischen Profil. Es lohnt sich, gerade jetzt ins Bewusstsein zu rücken, worum es bei jeder von ihnen geht: um die Studierenden und um Europa. Deren bewusste Verbindung trägt das Potential für wahrhafte Innovation: Ein europäisches, student-centred Studium heißt, im Raum Europa einen persönlichen Studienweg zu gehen, statt in nationalen Kontexten vorgegebene, traditionelle Studiengänge zu absolvieren. Was bedeutet dies konkret?
Jeder Studierende erlebt, erstens, Europa als den gemeinsamen Kontext des Lernens. Studieren in verschiedenen Teilen Europas hat nichts Exotisches mehr, sondern wird die Vielfalt Europas erfahrbar machen. Lernen wird dabei nicht auf den Seminarraum beschränkt, sondern auch das spezifische gesellschaftliche Umfeld einbeziehen. Im Zentrum des Studiums stehen nicht traditionelle Fächer, sondern gegenwärtige Herausforderungen. Europa wird durch die intensive akademische Auseinandersetzung damit erfahr- und gestaltbar werden.
Menschenrechte, Demokratie und Toleranz, aber auch Wohlfahrt, Solidarität und Sicherheit: Die europäischen Grundwerte geben, zweitens, Orientierung. Die individuelle Affirmation der Werte ist keineswegs museal und unkritisch. Sie entsteht aus der Auseinandersetzung mit der leidvollen Europäischen Geschichte und im Bewusstsein der Wandelbarkeit, der spezifischen Deutungen und Wechselbeziehungen. Diese reflektierte Aneignung ist Grundlage für die Mitgestaltung Europas als Bürger. Und sie ist eine genuin politische Bildung: für aktive Mitglieder des Gemeinwesens, die in die Lage versetzt, sowohl Positionen zu beziehen als auch rote Linien zu markieren.
Drittens werden die Studierenden Fähigkeiten kultivieren, die auf das Handeln im Beruf und als Bürger und auf das persönliche Leben vorbereiten: Entscheidungs- und Urteilskraft, Kritikfähigkeit und clear thinking, Zusammenarbeit und der konstruktive Umgang mit Vielfalt, Kreativität und lebenslanges Lernen - dies sind keineswegs nur soft skills, sondern Koordinaten einer neuen europäischen Fachlichkeit. Die Kompetenzen sind nicht nur Lernziele, sondern auch bestimmende Charakteristika einer zeitgemäßen Lernpraxis. Wie ein solches co-kreatives, aktives und engagiertes Lernen aussehen kann, erprobt z.B. die Erasmus+ Strategische Partnerschaft CREATES.
Die Gefahr eines selbstgefälligen und sich abschottenden Eurozentrismus eines solchen europäischen Studiums ist gering: Allein schon die Studierenden tragen Sorge dafür, dass der Blick auf andere Regionen der Welt und der Austausch intensiv ist. Eher ist ein zu wenig an Europa zu befürchten. Dabei ist europäisches Studieren an Europäischen Universitäten gerade für deutsche Universitäten eine enorme Chance, nicht in vergangenen Jahrhunderten zu verweilen.
 
Dr. Volker Balli von der Leuphana Universität Lüneburg koordiniert die Erasmus+ Strategische Partnerschaft CREATES. Er studierte am Europakolleg und promovierte am Europäischen Hochschulinstitut
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Ist das denn so schwer? Das Abitur ist die Eintrittskarte zur Universität. Doch jedes Bundesland vergibt sie nach eigenen Regeln. Das muss sich ändern 
 
»Eine Uni kann forschen, was sie will. Die Frage ist, ob sie die Mittel dafür bekommt« Die ungarische Regierung setzt Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen unter Druck. Ist die akademische Freiheit des Landes in Gefahr? Hier rechtfertigt sich der zuständige Minister Angriff auf die Erinnerung KZ-Gedenkstätten sind wichtige Bildungsorte – gerade für Schüler und Pädagogen. Immer häufiger kommen auch Rechtsextreme. Was tun? Ich habe Vertrauen in die Welt In der Rushhour des Lebens auch noch umziehen? Rudi Novotny hat es gewagt

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Wissenschaftspolitische Themen schaffen es selten morgens auf die Seite 1 und abends in die Tagesschau. Wenn doch, geht es meist um ein Thema mit Wumms – irgendwas mit Exzellenz oder Plagiat. Vieles, was die Scientific Community wirklich unter Strom setzt, häufig auch große Auswirkungen auf Forschung und Lehre hat, diskutiert nur ein kleiner Kreis. Hochschulbau. Replikationskrise. Kapazitätsrecht. Liegt das an desinteressierten Medien? An der Abschottung wissenschaftlicher Institutionen? An der Sperrigkeit des Vokabulars? Zur in diesen Tagen viel beschworenen Wissenschaftskommunikation gehörte für mich jedenfalls auch, über Wissenschaftspolitikkommunikation nachzudenken. Das ist allerdings ein furchtbar hässliches Wort. Vielleicht reden wir lieber von „Schöne-Gedanken-Politik“, einem „Kluge-Köpfe-Diskurs“, von „Humboldt-Debatten“? À la „Gutes-Kita-Gesetz“ und „Starke-Familien-Gesetz“? Letztere Vorschläge kommen allerdings von Franziska Giffey. Und die steht derzeit unter – tja – Plagiatsverdacht. Die meisten Dinge sind eben einfach und kompliziert zugleich.
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Füße ins Eiswasser!

Ihr CHANCEN-Team

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