"Na, haben die Sektkorken bei dir geknallt, als Donald Trump gewonnen hat?" Der Freund, der mir vor ein paar Tagen diese Frage stellte, meinte das durchaus ernst. Sein Gedankengang ging so: Trump ist gegen TTIP, Pinzler auch. Also muss Pinzler für Trump sein.
Bin ich nicht. Aber die Frage stellt sich in diesen Tagen, in denen so viel durcheinander geht, sehr grundsätzlich.
Kann etwas Richtiges falsch werden, nur weil es der Falsche tut? Augenreibend fragen sich das viele Kritiker der europäischen Politik, wenn sie beobachten, mit welchem Tempo der kommende amerikanische Präsident viele Symbolthemen abräumt und das umzusetzen verspricht, was man in Europa sozialdemokratischen und linken Regierungen längst nicht mehr zutraut.
Da beerdigt Donald Trump kurzerhand, und noch bevor er überhaupt im Amt ist, das hochumstrittene Freihandelsabkommen TPP, das zwischen zwölf pazifischen Staaten abgeschlossen, aber von deren Parlamenten größtenteils noch nicht verabschiedet worden ist. Still und leise erledigt sich wohl auch das europäisch-amerikanische TTIP, das Prestigeprojekt aller Transatlantiker und das Abkommen, das in Deutschland Hunderttausende eher linksgrün gesinnte Bürger auf die Straße gebracht hat.
Und dann verspricht Trump auch noch massive Investitionen in die Infrastruktur – etwas, das die Sozialdemokraten und die Linke in Europa seit Ausbruch der Finanzkrise fordern und doch fast nirgendwo verwirklicht haben. Besonders bitter zeigt sich das in Griechenland, wo eine anfangs von den Linken in ganz Europa bejubelte Regierung vollmundig versprach, dass es Alternativen zur Sparpolitik der EU gebe, dann aber nach dem Amtseintritt vor dem geballten Druck der anderen EU-Regierungen einknickte oder einknicken musste und seither ein eher jämmerliches Dasein fristet. Doch auch im reichen Deutschland bröckeln die Schulen und Brücken weiter.
Und dann gewinnt in so einer Situation ausgerechnet der Populist Trump mit seiner kruden Mischung aus wirtschaftspolitischen Ideen: manche offen und brutal protektionistisch (Zölle für Autos hoch!), andere vulgär-keynesianisch (Geld ausgeben, egal wie viel da ist), wieder andere marktliberal (Steuern runter, vor allem für die Reichen). Manches ergibt keinen Sinn, anderes widerspricht sich sogar. Doch das spielt offensichtlich bei vielen Wählern keine Rolle. Denn wichtiger als die einzelnen Punkte war der Subtext: Politik ist NICHT alternativlos. Es geht anders.
Der Welthandel ist ja nicht gut, so wie er ist
Genau das macht Trump und seine europäischen Klone so gefährlich – und damit wird zugleich wichtiger denn je, das Irre in seinen Programmen und in denen anderer Populisten zu entlarven. Beispielsweise die Sache mit der Infrastruktur. Richtig ist: Dafür müssen die USA viel mehr Geld ausgeben, sie haben ihren Staat, ihre Schulen, Krankenhäuser und Straßen kaputtgespart. Aber das geht nur, wenn mehr Steuereinnahmen fließen, vor allem von Reichen. Solche Projekte zu wollen, sie aber vor allem durch Schulden zu finanzieren, führt in einem bereits hochverschuldeten Land direkt in die nächste Finanzkrise.
Ähnlich sieht die Sache beim Freihandel aus. Ja, TTIP gehört in seiner jetzigen Form gestoppt, es hätte die Welt nicht fairer gemacht (wenn man die bisherigen Textentwürfe zur Grundlage macht). Aber das heißt nicht, dass es nun keine neuen internationalen Regeln für die globale Welt mehr geben sollte. Im Gegenteil: Die Welthandelsordnung ist ja nicht gut, so wie sie ist, sie stärkt die Starken und schwächt die Schwachen. Genau das Gegenteil müsste passieren, aber Trump ist offensichtlich nicht derjenige, der das will. Er propagiert "America first", und sollte er das durchsetzen, wird das in armen Ländern immensen Schaden anrichten. Dann zahlt der mexikanische Arbeiter drauf.
Und damit ist leider das bittere Fazit: Wenn der Falsche das Richtige tut, kann es falsch werden. Oder konkret: Wenn Trump nun TTIP begräbt und Autobahnen baut, dann ist das kein Grund zum Jubeln. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Gegenteil wäre auch falsch. Man muss jetzt nicht alle Reihen schließen und TTIP und andere wirtschaftspolitische Projekte der EU bejubeln. Die Kritik daran ist weiter wichtig, weil eine lebendige und gute Demokratie gerade von Widerspruch lebt.
Wichtig aber wäre, dass sich vernünftige Reformparteien in Europa ernsthafte Gedanken machen, wie sie ihre Unterschiede wieder klarer machen. Wie sie dafür sorgen können, dass ihnen Wähler mehr zutrauen als TINA. Wie sie Alternativen bieten – zur Sparpolitik, zur Handelspolitik, zur Europapolitik – die appetitlicher und weniger rassistisch sind als das, was Trump bietet. Oder manche seiner europäischen Kopien. |
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