Freitext: Feridun Zaimoglu: Hoch lebe die nationale Randale

 
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02.12.2016
 
 
 
 
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Hoch lebe die nationale Randale
 
 
Auf Stippvisite in Ost und West. Was trifft man? Nichts als deutschen Fraß und deutsche Fressen. Dazu ein bisschen Hurra-Idiotie und reichlich gefühlsechte Bosheit.
VON FERIDUN ZAIMOGLU

 
Demonstration von Pegida-Anhängern in Dresden © Sean Gallup/Getty Images
 
Ich reise in die wüste Peripherie, zu den Verheerten mit dem morgendlichen Schnapsatem, zu den Kerlen, die rechts täuschen und rechts treffen. Zu den Zonenkatjas in KIK-Klamotten und Plastikgaloschen, zu ihren prächtig ostdeutschelnden Töchtern, die im Westen blühen und gedeihen, und aber sagen: Der Mensch aus dem Westen, der kennt uns nicht. Ich reise nach Dresden, der Stadt der tapferen Sachsen, der erzgebirgischen Volkskunst, in die Stadt mit der Elbbrücke, die Blasewitz und Loschwitz verbindet. Kaum sitz ich im Taxi, donnert der Fahrer los: Nix gegen Juden. Wer vergast wird, kriegt Entschädigung, das ist nicht falsch. Aber diese Bunker, sehense, dort drüben, der Schandkasten, sieht das mistige Ding aus wien Gotteshaus, nee, tut es nicht, baut der Moslem so einen Tempel, gibts was auf die Mütze, nur dem Juden lässt mans durchgehen, will ja nix sagen, aber die Leute haben so was von die Schnauze voll, nix gegen Juden, aber das da, das gehört abgerissen, das machen die absichtlich, Augenpest ist das, na wurscht, das macht nen runden Zehner.

Ich reiche ihm den Schein und bitte um eine Quittung, er schreibt wie ein auf von der linken auf die rechte Hand trainiertes Kind. Ist das die Schrift eines völkisch gesinnten Mannes? Sind die krummen Buchstaben Ausdruck des Aufmuckertums? Später darf ich in der Zeitung die Abbitte eines Edeljournalisten lesen: Liebe Arbeiterklasse, ich habe dich verkannt, ich gelobe Besserung. Wie will er sich bessern? Geht nur noch ins deutsche Wirtshaus, säuft das härteste deutsche Bier, lobt er nur noch deutsche Gedichte und Gesichter, deutsche Fressen und deutschen Fraß? Und also sitz auch ich bald in der Eckkneipe, ich wühl mich wohl unter müffelnden dicken Mackern in Steppwesten, die mich anglotzen, als würde mir eine fette Forelle aus dem Mund hängen, und als sie aber sehen, dass ich das Essen wie ein Schwein grunzend reinschaufele, sind sie beruhigt. Worüber sprechen sie? Über Kanakenweiber. Hab ich sie bezahlt? Nein. Wissen sie, dass ich hergefahren bin, um ihresgleichen zu besichtigen? Nein.

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