Natürlich sind die Populisten zu schlagen. Alexander Van der Bellen hat es am Sonntag bewiesen. Und mit ihm die Mehrheit der österreichischen Wähler. Sie hat sich nicht verhexen lassen von den Politikern mit den einfachen Parolen, die in ihrem Land wie in allen westlichen Demokratien die Angst schüren vor der kalten, feindlichen Welt da draußen.
Norbert Hofer, der unterlegene FPÖ-Kandidat, hat nach seiner Niederlage auf Facebook geschrieben: "Ich bin unendlich traurig, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte gerne auf unser Österreich aufgepasst."
Wie schön, dass den Österreichern diese Fürsorge erspart bleibt, dass sie als erwachsene Demokraten weiter selbst auf sich aufpassen können.
Ein Lichtblick also am Ende dieses fürchterlichen Jahres 2016, in dem der Westen fast den Glauben an sich selbst verlor. Allerorten wird jetzt, da es auf den Jahreswechsel zugeht, Bilanz gezogen, werden noch einmal die Schreckensstationen der vergangenen zwölf Monate abgeschritten – vom Brexit-Referendum bis zur Trump-Wahl.
Langsam schwindet die Lähmung
Von dem befürchteten Doppelknall am Zweiten Advent ist der eine ausgeblieben. Und der zweite, das Verfassungsreferendum in Italien, verpufft, ohne die befürchtete Panik auszulösen. Matteo Renzi tritt zurück – und in Europa steigen die Aktienkurse. So groß scheint die Angst vor einem neuen Bankencrash nicht zu sein. Das Nein der Italiener war wohl eher ein Nein zu Renzi als ein Nein zu Europa.
Langsam, aber nicht zu spät, lösen sich die Demokratieverteidiger und Europafreunde aus der Lähmung, die sie in diesem Jahr befallen zu haben schien. Zu beobachten war dies vorige Woche schon bei der Nachwahl im Londoner Stadtteil Richmond Park, wo die Liberaldemokratin Sarah Olney mit einem leidenschaftlich proeuropäischen Wahlkampf den Sitz im Unterhaus eroberte.
Keine Frage war nach dem Votum der Briten gegen die Zugehörigkeit ihres Landes zur EU und mehr noch nach der Wahl Donald Trumps häufiger gestellt worden als diese: Wie konnte das alles geschehen? Denn ganz unbestritten war die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch die Politik- und Meinungseliten so voreingenommen wie lückenhaft gewesen.
Eine große Selbstbefragung begann – und hält bis heute an. Gut so. Nur darf sie sich nicht in Selbstzerknirschung erschöpfen. Bei allem Verständnis für die Sorgen vieler Bürger dürfen nun nicht auch die Verteidiger der liberalen Demokratie in den Chor der Vereinfacher einstimmen.
Martin Schulz hat es bei der Verleihung des Marion-Dönhoff-Preises an Navid Kermani am vergangenen Sonntag im Hamburger Schauspielhaus so gesagt: "Es ist an der Zeit, dass wir die moderne Komplexität als unverrückbare Realität anerkennen. Denn tun wir dies nicht, werden wir nie die Gräben in unseren Gesellschaften überwinden können. Wir werden die falschen Probleme identifizieren und ihnen falsche Lösungen entgegenstellen."
In den Kampf gegen den Populismus, der ein Kampf für Aufklärung und Aufrichtigkeit ist, müssen Konservative und Sozialdemokraten, Liberale und Grüne gemeinsam ziehen. Es sollte sie nicht kümmern, wenn sie deshalb als Mainstream-Politiker geschmäht werden. Denn bestimmte Grundwerte verteidigen sie nun einmal gemeinsam, egal, ob sie sich ansonsten über Steuersenkungen oder Rentenerhöhungen, Rüstungsausgaben oder Umweltauflagen streiten.
Man muss den Kampf aufnehmen
In Frankreich tritt bei den Präsidentschaftswahlen für die Republikaner der seriöse und skandalfreie François Fillon an. Kommt es zu einer Stichwahl gegen Marine Le Pen, dann sollte es für die französische Linke selbstverständlich sein, den konservativ-katholischen Wirtschaftsliberalen Fillon zu unterstützen. So wie es in den USA nicht für alle Anhänger von Bernie Sanders hätte selbstverständlich sein sollen, Hillary Clinton zu wählen, um Trump zu verhindern. Leider sahen manche das anders.
First things first: Im Augenblick hat die Abwehr des Rechtspopulismus Vorrang. Und dazu muss man auch Allianzen schließen, die dem politischen Purismus widerstreben. Keine Sorge, die Zeiten werden sich auch wieder ändern. Gerade in den USA war auf den politischen Pendelausschlag bisher immer Verlass: Auf George W. Bush folgte Barack Obama. Auch auf Donald Trump dürfte nicht das Weltende folgen, sondern ein liberaler Demokrat oder eine liberale Demokratin.
Nur, etwas tun muss man dafür schon. Das ist das Signal von Wien: Man muss den Kampf aufnehmen. Demokratie ist nichts für Heulsusen.
"Ich hätte gerne auf unser Österreich aufgepasst." Von wegen. |
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