| Liebe Leserinnen und Leser, vor einigen Wochen, zu Beginn des finalen Reformationsfeierjubeljahres, sprach Christ&Welt die Möglichkeit einer protestantischen Dauerwerbesendung an. Seit Jahren schon sponsert die Bundesregierung die lutherische Feier-dekade – könnte das, mit Verlaub, nicht zu viel des staatlich verordneten Luther-Gedenkens sein? Nein! Offenbar geht noch einiges mehr, wie ein Blick in den Bundeshaushalt 2017 kürzlich zeigte: Der Teil des Etats der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, der exklusiv für die Feierlichkeiten vorgesehen ist, beträgt im kommenden Jahr satte 11,65 Millionen Euro. Das entspricht, nur mal so zum Vergleich, 2 353 535 Luther-Playmobil-Figuren oder 1 974 576 Packungen Lutherol (ein Breitband-Theologicum) oder sogar 1 100 094 Luther-Badeenten. Der Staat mischt sich durch seine millionenschwere Finanzierung in kirchliche Feierlichkeiten ein. Deshalb nehmen die Kirchen aber kein Blatt vor den Mund und äußern sich nach wie vor in politischen Angelegenheiten. Letzte Woche forderten beziehungsweise befürworteten Unionspolitiker in Christ&Welt diese Verhaltensweise geradezu.
Eingeplant für das Jubiläum 2017 waren von Regierungsseite zunächst fünf Millionen Euro, dann hat man sich nach oben korrigiert. Ein großer Teil des Geldes wird vor allem in die Ausstellung »Tore der Freiheit« in Wittenberg fließen. Eine weitere, nicht unwesentliche Summe geht ins hessische Bad Hersfeld. Bad was? Martin Luther war da nicht oft, Dieter Wedel hingegen schon: Mit den eingeplanten 500 000 Euro soll ein Projekt der Hersfelder Festspiele finanziert werden, deren Intendant Wedel ist. Zur Uraufführung im nächsten Juni kommt nämlich das Werk »Martin Luther – Der Anschlag«. Laut Dieter Wedel soll Luther – darin Faust nicht unähnlich – bei der Inszenierung von mehreren Darstellern gleichzeitig gespielt werden. »Der Anschlag« – hieß so nicht ein amerikanischer Thriller mit Ben Affleck und Morgan Freeman aus dem Jahr 2002? Hoffentlich werden die Zuschauer die Werke nicht verwechseln. Andererseits: Der Originaltitel des Films, »The Sum of All Fears«, wäre als Überschrift für die Reformation im Allgemeinen und Luthers mentale Disposition im Speziellen nicht ungeeignet. Überhaupt Bad Hersfeld: Kann man sich Martin Luther in einem Kurort vorstellen? Ist nicht der Kurort ein thermales Sammelbecken für alles, was der Reformator an Europa kritisiert hat? Versuchte nicht die Upperclass sich in einer Art Ablasshandel beim Kuren von physischen Gebrechen loszukaufen, ohne etwas dafür tun zu wollen, außer Heilwasser literweise runterzukippen?
Wenn schon Festspiele in Kurorten zum Reformationsjahr gefördert werden müssen, dann böte sich ganz besonders Bad Segeberg an. Zum Winnetou-Fest kommen jeden Sommer Tausende, die wenigsten von ihnen wissen: Winnetou starb als Christ! Kurz vor seinem Verscheiden, schon hinfällig in Old Shatterhands Armen, wünscht sich Winnetou, dass ein »Ave-Maria« gesungen werden möge. Die letzten Worte des Apachen anschließend: »Scharlih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Leb wohl!« Diese Darbietung könnte man doch fördern? Das wäre sicher auch in Luthers Sinne.
Ihre Christina Rietz |
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