Swift-Ausschluss, deutsche Waffenlieferungen, Sondersitzung Bundestag

Der Morgenüberblick am Sonntag, 27. Februar
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Der Morgenüberblick am Sonntag, 27. Februar

von Till Schwarze
Redaktionsleitung ZEIT ONLINE

Guten Morgen! Die Bundesregierung vollzieht einen Richtungswechsel bei Waffenlieferungen und dem Swift-Ausschluss russischer Banken, in der Ukraine kommt es beim Vormarsch russischer Truppen zu heftigen Kämpfen, der Bundestag trifft sich heute zu einer Sondersitzung, in Berlin ruft ein Bündnis zum Protest gegen den Krieg auf und wir geben Menschen aus der Ukraine eine Stimme.

© Emilio Morenatti/dpa/AP
© Emilio Morenatti/dpa/AP

Russlands Truppen treffen in der Ukraine laut dem US-Verteidigungsministerium auf größeren Widerstand als erwartet – vor allem im Norden des Landes. Sie seien "zunehmend frustriert", sagte ein Pentagon-Vertreter. Aus der Hauptstadt Kiew wurden heftige Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Kräften gemeldet. Russische Truppen sind nach ukrainischen Angaben in die zweitgrößte Stadt Charkiw im Nordosten eingedrungen. Zudem schlossen sie die Städte Cherson und Berdjansk im Süden ein. Auch in der Region Luhansk gab es Gefechte. Russland hatte am Samstag einen Vormarsch seiner Truppen "aus allen Richtungen" angeordnet; US-Angaben zufolge sind inzwischen etwa 75.000 Soldaten im Land, die Hälfte der Invasionstruppen.

In Kiew beschossen die russischen Truppen nach Angaben lokaler Zeitungen unter anderem das Krankenhaus und ein Hochhaus. Zudem soll ein Ölterminal südwestlich der Hauptstadt getroffen worden sein und es gibt Gefechte um den Flughafen Vasilkovo in der Nähe von Kiew. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden bisher 198 Zivilisten getötet, die UN-Nothilfeorganisation OCHA geht bislang von mindestens 64 toten Zivilisten aus.

Die EU, die USA, Kanada und Großbritannien wollen russische Banken aus dem Zahlungssystem Swift ausschließen. Zudem werden die Vermögen der russischen Zentralbank blockiert und Sanktionen gegen weitere Oligarchen erlassen. China will die Maßnahmen gegen Russland nicht unterstützen.

Außerdem liefert die Bundesregierung nun doch Waffen an die Ukraine. Zudem genehmigt sie die Lieferung von 400 Panzerabwehrwaffen deutscher Produktion aus den Niederlanden sowie von Artilleriegeschützen aus DDR-Altbeständen in Estland. Der russische Überfall auf die Ukraine markiere eine Zeitenwende, begründete Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Kurswechsel. Mehr dazu wird Scholz heute in seiner Regierungserklärung während einer Sondersitzung des Bundestags sagen.

Nach mehreren anderen Staaten will auch Deutschland seinen Luftraum für russische Airlines sperren. Russland schloss seinen Luftraum für Flugzeuge aus Lettland, Estland, Litauen und Slowenien. 

Die Bundesregierung handelt also mit neuer Entschlossenheit. Wie lange diese Regierung brauchte, um dem Aggressor in Russland wirklich mit ganzer Kraft entgegenzutreten, sei erschütternd, kommentiert meine Kollegin Marlies Uken.

Präsident Wolodymyr Selenskyj fürchtet um sein Leben – und bleibt in Kiew. Inmitten des Krieges habe er "erstaunlich an Statur gewonnen", schreibt meine Kollegin Simone Brunner.

"Meine Aufgabe ist, Wache zu halten. Besonders Sorgen haben wir vor Plünderungen, zum Beispiel durch russische Soldaten", erzählt Kristina aus Krjukiwschtschyna. Sie ist eine der Ukrainerinnen und Ukrainer, die uns von ihrem Alltag während des Krieges berichten.

Die UN gehen von etwa 300.000 Vertriebenen aus, gut die Hälfte davon ist demnach innerhalb des Landes auf der Flucht. Heute wollen die EU-Innenminister darüber beraten, wie den Geflüchteten geholfen werden kann. Wir zeigen Bilder von den dramatischen Situationen an den Grenzen, aber auch der Hilfsbereitschaft der Menschen, die die Geflüchteten willkommen heißen. 

© Omar Marques/​Getty Images
© Omar Marques/​Getty Images

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den belarussichen Machthaber Alexander Lukaschenko davor gewarnt, Russland die Stationierung von Atomwaffen im Land zu erlauben. Heute will Lukaschenko eine Verfassungsänderung beschließen lassen, mit der russische Truppen und Atomwaffen dauerhaft in Belarus stationiert werden könnten.

Wie die Nato auf die russische Invasion reagiert und wie groß die Gefahr einer direkten Konfrontation mit Russland ist, erklärt unser Autor Hauke Friederichs.

"Wenn Putin denkt, dass sich das Land ohne Weiteres langfristig kontrollieren lässt, unterschätzt er die moderne Ukraine", schreibt die Soziologin Susann Worschech. Seit den Maidan-Protesten habe sich eine kritische, fordernde Zivilgesellschaft entwickelt.

Dass historische Deutungen genutzt werden, um einen Krieg zu rechtfertigen, ist nichts Neues, schreibt der Historiker Martin Schulze Wessel in einem Gastbeitrag. Beispiellos ist aber die Obsession, mit der Wladimir Putin die Geschichte heranzieht.

© [M]ZEIT ONLINE;Russian Pool/​Reuters;-/​dpa
© [M]ZEIT ONLINE;Russian Pool/​Reuters;-/​dpa

Russland verstoße mit dem Angriff auf die Ukraine offensichtlich gegen internationales Recht, sagt die Völkerrechtlerin Dana Schmalz im Interview mit meiner ZEIT-Kollegin Elisabeth von Thadden. Wertlos sei dieses trotzdem nicht.

Die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine sind entsetzlich. Raketenangriffe, Bomben, Menschen, die in Kellern und U-Bahn-Schächten Schutz suchen – all das kann auch bei uns in Deutschland Angst auslösen. Die Psychiaterin Angelika Erhardt erklärt, wie wir mit Kriegsangst umgehen können. (Z+)

Die wichtigsten Corona-Zahlen

Die Infektionszahlen sind erneut gesunken: Nach unseren Daten haben die Gesundheitsämter gestern 137.234 Neuansteckungen registriert, fast 70.000 weniger als eine Woche zuvor. 162 Menschen starben an Covid-19, 80 weniger als am Samstag vor einer Woche. 

Wir wünschen Ihnen trotz der Lage einen guten Tag!

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Redaktionsschluss war um 7.30 Uhr. Die nächtliche Recherche und Produktion hat heute Christina Felschen in Vancouver übernommen. In Berlin wird heute gegen den russischen Angriff demonstriert, mich hindert die Arbeit leider an einer Teilnahme. Haben Sie trotz allem einen schönen Sonntag!