Olympia am Abend: Tragik on ice

Die Olympischen Spiele am Donnerstag, 17. Februar
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Die Olympischen Spiele am Donnerstag, 17. Februar

von Christian Spiller
Ressortleiter Sport ZEIT ONLINE

Guten Abend! Der Fall von Kamila Walijewa lässt kaum jemanden kalt. Immerhin könnte er eine wichtige Debatte starten. Erstmal gab es Tränen

© Aleksandra Szmigiel/Reuters
© Aleksandra Szmigiel/Reuters

Gold des Tages

Ging an die russische Eiskunstläuferin Anna Schtscherbakowa. Doch alle redeten nur über Kamila Walijewa und ihre tragische Kür. Die 15-Jährige, die Viele als größtes Talent aller Zeiten sehen, fiel gleich mehrfach hin, wurde nur Vierte und glitt weinend vom Eis. Zu groß der Druck nach ihrer Dopingprobe. Sie war Ende Dezember positiv auf ein Herzmittel getestet worden. Raus kam das erst während der Spiele. „Man hätte sie schützen müssen", sagte die ARD-Expertin Katarina Witt im Fernsehstudio und weinte ebenfalls. Wenn Walijewas Fall für etwas gut war, dann, dass sie künftigen Mädchen das gleiche Schicksal ersparen könnte: Die Debatte, was Minderjährige bei der Knochen- und Psychomühle Olympische Spiele zu suchen haben, ist jedenfalls unausweichlich.

© Elsa/Getty Images
© Elsa/Getty Images

Moment des Tages

Apropos Knochenmühle: Gleich in ihrem ersten Spiel brach sich Brianna Decker das Wadenbein und zerlegte sich mehrere Bänder. Die US-amerikanische Eishockeyspielerin flog aber nicht zurück, um sich zu Hause wieder zusammenflicken zu lassen, sondern blieb in Peking. Bis zum Finale, welches ihr Team  gegen den Dauerrivalen Kanada zwar 2:3 verlor, die Co-Kapitänin Decker aber konnte auf dem Eis ihre Silbermedaille persönlich entgegennehmen. Mit geschientem Bein und einem Gerät, das ganz sicher olympische Premiere feierte: ein sogenannter Kniescooter.

© Lars Baron/Getty Images
© Lars Baron/Getty Images

Aufreger des Tages

Der Videobeweis. Beim Fußball reklamieren alle wie wild und malen Rechtecke in die Luft, beim Skicross war es andersrum. Da wollte Daniela Maier die ihr zugesprochene Bronzemedaille zunächst gar nicht haben. Im Finale war ihr die Schweizerin Fanny Smith kurz vor dem Ziel auf den Ski gefahren, Maier war ins Straucheln geraten und hatte sich schon mit dem schmerzlichen vierten Platz abgefunden. Dann erhielt Smith nach minutenlanger Jury-Sitzung die Gelbe Karte, Maier bekam Bronze und war erschrocken: „Ich dachte, das war ungerecht", sagte sie später über die harte, aber nicht wirklich ungerechte Jury-Entscheidung. Gold gab es außerdem für ihr Interview nach dem Rennen.

Neues aus der Blase

Mein Kollege Christof Siemes schreibt aus Peking:

Kommunizierende Röhren bei Olympia: Die Zahl der Wettkämpfe nimmt täglich ab, der Bierkonsum unter Journalisten steigt. Zu Beginn der Spiele herrschte in der Lobby meines Hotels noch eine gewisse Sittlichkeit. Nur ab und an kündeten einzelne Bierdosen am frühen Morgen von spätabendlichen Schlummertrünken. Inzwischen bedecken ganze Flaschenbatterien die Tische, das Hotelpersonal kommt kaum hinterher mit dem Wegräumen (oder weigert sich einfach). Nach dem tapferen Durchsitzen der täglichen IOC-Pressekonferenzen kann man sich die Sache auch nur noch schöntrinken.

Die Lage in China

Yan Jiarong ist die Sprecherin von Chinas Olympia-Organisatoren. Auf den eben erwähnten täglichen Pressekonferenzen sitzt sie stets neben dem IOC-Sprecher Mark Adams und muss sich mal mehr, mal weniger kritische Fragen anhören. Nun aber war es ihr genug. Ungefragt ergriff sie mehrfach das Wort. Berichte über Umerziehungslager für Uiguren im Nordwesten des Landes seien „Lügen", sie sprach auch von „sogenannter Zwangsarbeit". Zu Taiwan, das bei den Spielen als Chinese Taipeh antreten muss, sagte sie: „Ich möchte betonen, dass es nur ein China in der Welt gibt. Taiwan nimmt hier als Teil von China teil und ist ein untrennbarer Bestandteil von China." Außerdem sei sie gegen die Politisierung der Spiele. Ist doch klar.

IOC-Mitglied des Tages

Kolinda Grabar-Kitarović

Ihren größten Auftritt hatte sie nach dem Finale der Fußball-WM 2018. Im Nationaltrikot herzte und drückte die damalige kroatische Präsidentin bei der Siegerehrung Schiedsrichter, Spieler, Trainer und sogar Emanuel Macron. Kolinda Grabar-Kitarović mag Sport, weil man dadurch so schön volksnah wirkt. Das ist ihr Ding. Die Staatspräsidentin gab sie sich als pathetisch-populistische Patriotin, die auch schon mal die Verbrechen des faschistischen Ustascharegimes relativierte. 2020 wurde sie abgewählt, seit dem gleichen Jahr sitzt sie im IOC. Warum? Gute Frage.

Medaillen des Tages

  • Eishockey Frauen: Kanada, USA, Finnland

  • Ski Alpin, Kombination Frauen: Michelle Gisin (Schweiz), Wendy Holdener (Schweiz), Federica Brignone (Italien)

  • Freestyle, Skicross Frauen: Sandra Naeslund (Schweden), Marielle Thompson (Kanada), Daniela Maier (Deutschland)

  • Eisschnelllauf, 1000 Meter Frauen: Miho Takagi (Japan), Jutta Leerdam (Niederlande), Brittany Bowe (USA)

  • Eiskunstlauf, Frauen: Anna Schtscherbakowa (Russisches Olympisches Komitee), Alexandra Trusowa (Russisches Olympisches Komitee), Kaori Sakamoto (Japan)

  • Nordische Kombination, Teamwettbewerb Männer: Norwegen, Deutschland, Japan

Das normale Ergebnis

Die USA werden 6. im Teamwettbewerb der Nordischen Kombination.

Satz des Tages 

"Wenn ich der größte Witz der Spiele bin, dann lacht wenigstens jemand."

(Die für gewöhnlich dominierende Skifahrerin Mikaela Shiffrin, die wie schon im Slalom und Riesenslalom nun auch in der Kombination ausgeschieden ist)

Wir wünschen einen guten Abend!

Das war der Extraletter zu den Olympischen Spielen, Redaktionsschluss war heute um 17 Uhr. 

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