Olympia am Abend: Sportlerinnen, ey!

Die Olympischen Spiele am Dienstag, 8. Februar
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Die Olympischen Spiele am Dienstag, 8. Februar

von Fabian Scheler
Sportredakteur, ZEIT ONLINE

Guten Abend! Eine deutsche Rodlerin schafft Historisches, eine US-Skifahrerin bricht sich einige Knochen, lächelt aber schon wieder und eine 18-Jährige dreht sich viereinhalbmal.

© Richard Heathcote/Getty Images
© Richard Heathcote/Getty Images

Gold des Tages

Eine 64 Meter hohe Kunstschneeschanze in einem stillgelegten Industriepark: Roland Emmerich wäre stolz ob dieser dystopischen Kulisse. Müsste er ein gutes Drehbuch dazu schreiben, bei dem am Ende die Welt ausnahmsweise nicht brennt, ginge das etwa so: Eine modelnde 18-Jährige, die laut Forbes zu den dreißig einflussreichsten Menschen unter 30 zählt und famos Piano spielt, stürzt sich diese Rampe auf Skiern hinab. Sie steht im letzten Sprung zum ersten Mal einen Double Cork 1620 (eine viereinhalbfache Drehung), sie startet für das Gastgeberland China und fängt bald in Stanford mit dem Studium an. Ach ja: Im Moment ihres größten Triumphs tröstete sie die weinende Zweitplatzierte des Big Air Contests. Das klingt ausgedacht, aber nun kennen Sie Eileen Gu, das chinesische Gesicht dieser Spiele.

© Michael Kappeler/dpa
© Michael Kappeler/dpa

Überraschung des Tages

Das Podest beim Rodel-Einsitzer der Frauen. Seit 1998 gab es achtzehn olympische Medaillen im Rodel-Einsitzer der Frauen zu vergeben, nur vier gingen nicht nach Deutschland. Nun ist es eine mehr geworden: Tatjana Iwanowa aus Russland gewinnt Bronze. Doch zum dritten Mal in Folge heißt die Olympiasiegerin Natalie Geisenberger (ein Rekord!), Zweite wurde Anna Berreiter. Geisenberger ist 34 Jahre jung, hat alles gewonnen, was es in dieser Sportart zu gewinnen gibt, und ist seit dem vergangenen Olympiasieg auch Mama geworden. Gute Nachrichten: Stillen und Schlafentzug machen einen Rodelschlitten nicht langsamer.

Schmerz des Tages

Sie, liebe Leserinnen, haben an dieser Stelle des Newsletters zwei Möglichkeiten: Sie lesen lediglich nach, was Nina O'Brien im Riesenslalom passiert ist. Oder Sie sind medizinisch interessiert und googlen das Sturzvideo und das zugehörige Foto. Sie werden einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch mit mehreren Bänderrissen finden. O'Brien wurde noch in der Nacht zum Dienstag das erste Mal operiert, hat nun Schrauben im und am Bein und wird bald zurück in die USA geflogen. Bei Instagram lächelt sie aber schon wieder und im Ziel liegend soll sie die Helfer gefragt haben, wie schnell sie gewesen sei und ob ihretwegen das Rennen lange pausieren musste. Sportlerinnen, ey!

Neues aus der Blase

Mein Kollege Christof Siemes schreibt aus Peking:

Zunächst dachte ich, jetzt sei der Kalte Krieg auf dem Männerklo angekommen. Da hatte doch jemand mit viel Mühe und Klebeband den Markennamen auf den Pissoirs im National Acquatics Centre unsichtbar gemacht, der jetzt 'Ice Cube' heißt und Heimstatt des Curlingturniers ist. Voll investigativ knibbelte ich das tückische Tesa ab – 'American Standard' stand darunter. Mein erster Gedanke: Jetzt wird der Erzfeind also schon auf einem Niveau unterhalb der Gürtellinie bekämpft! Bis ich feststellte, dass auch in anderen Stadien und im Pressezentrum Sanitäreinrichtungen und sogar die Seilbahnen von Doppelmayr zensiert werden. Offenbar geht es um Markenschutz: Wer ans IOC und das Pekinger Organisationskomitee kein Geld abdrückt, muss namenlos bleiben.

Die Lage in China

IOC-Chef Thomas Bach eilt von Entscheidung zu Entscheidung, an diesem Dienstag war er beim Sieg von Eileen Gu. Bemerkenswert: Er brachte Peng Shuai mit. Fragen beantworten wollte sie keine, was verständlich ist, denn am Ende wäre vielleicht noch herausgekommen, was sie wirklich denkt. Die Spiele und ihre vom IOC gewünschte Erzählung laufen, Hundertstelsekunden und nicht getroffene Scheiben bestimmen die Nachrichten. Lassen wir daher den Londoner Uber-Fahrer Enver Tohti sprechen: „Der Mann war nicht tot. Ich hatte trotzdem keine Wahl und entnahm ihm die Organe." Tohti ist ein geflohener Arzt aus Xinjang und Kronzeuge im von London aus geführten, nicht staatlichen Untersuchungstribunal zum erzwungenen Organraub in China. Weil das IOC darüber hinwegsieht und China trotz der Behandlung der Uiguren vom IOC hofiert wird, sagt Tohti: „Das IOC hat Blut an seinen Händen." 

IOC-Mitglied des Tages

Seine Königliche Hoheit Großherzog Henri, Prinz von Nassau, Prinz von Bourbon-Parma

Seit 1998 ist Luxemburgs Staatschef IOC-Mitglied. China hält Anteile an großen Luxemburger Banken und Xi bedankte sich, dass Luxemburg die Bewerbung um die Spiele 2008 und 2022 unterstützt habe. Henri, der sagt, dass er immer, wenn der Kalender es zulässt, zu IOC-Sitzungen fährt, fand sich auch an jenem gigantischen Banketttisch wieder, an dem Xi am Samstag die autokratische Weltelite versammelte. Das brachte zu Hause Xavier Bettel in Schwierigkeiten, schließlich hatte Luxemburgs Premierminister den Besuch boykottiert. Bettel sagte, dem Herzog seien Menschenrechte nicht egal, „er sei auch bereit, dieses Thema anzusprechen – wenn er gefragt wird". Xi wird ihn gefragt haben. Ganz sicher.

Medaillen des Tages

  • Ski Freestyle: Big Air: Eileen Gu (China), Tess Ledeux (Frankreich), Mathilde Gremaud (Schweiz)

  • Ski Alpin, Super-G: Matthias Mayer (Österreich), Ryan Cochran-Siegle (USA), Aleksander Aamodt Kilde (Norwegen)

  • Snowboard, Parallelriesenslalom Frauen: Ester Ledecká (Tschechien), Daniela Ulbing (Österreich), Gloria Kotnik (Slowenien)

  • Snowboard, Parallelriesenslalom Männer: Benjamin Karl (Österreich), Tim Mastnak (Slowenien), Victor Wild (Russisches Olympisches Komitee)

  • Biathlon, 20 km Einzel der Männer: Quentin Fillon Maillet (Frankreich), Anton Smolski (Belarus), Johannes Tignes Bø (Norwegen)

  • Langlauf, Freistilsprint der Frauen: Johanna Sundling (Schweden), Maja Dahlqvist (Schweden), Jessie Diggins (USA)

  • Langlauf, Freistilsprint der Männer: Johannes Høsflot Klæbo (Norwegen), Federico Pellegrino (Italien), Alexander Terentev (Russisches Olympisches Komitee)

  • Curling, Mixed Doubles: Italien, Norwegen, Schweden

  • Eisschnelllauf, 1500 Meter der Männer: Kjeld Nuis (Niederlande), Thomas Krol (Niederlande), Minseok Kim (Südkorea)

  • Rodeln, Einzel der Frauen: Natalie Geisenberger (Deutschland), Anna Berreiter (Deutschland), Tatjana Iwanowa (Russisches Olympisches Komitee)

© DANIEL MIHAILESCU/AFP via Getty Images
© DANIEL MIHAILESCU/AFP via Getty Images

Das normale Ergebnis

Elsa Desmond (Irland) wurde 33. im Rodeln. 

Satz des Tages 

Ich habe heute auch schon mein Handy verloren.

Snowboarderin Ramona Hofmeister, eine der Favoriten auf eine Medaille im Parallelriesenslalom, suchte nach Gründen, warum das heute nicht ihr Tag gewesen ist. (Das Handy ist wieder aufgetaucht, leider änderte das nichts an ihrem Viertelfinalaus.)

Wir wünschen einen guten Abend!

Das war der Extraletter zu den Olympischen Spielen, Redaktionsschluss war heute um 17 Uhr. 

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