Olympia am Abend: Gold, aber kopfüber

Die Olympischen Spiele am Freitag, 11. Februar
iomb_np
Was jetzt?
Die Olympischen Spiele am Freitag, 11. Februar

von Leopold Zaak
freier Autor

Guten Abend! Gib den Deutschen einen Eiskanal und einen Schlitten, sie werden Gold gewinnen. Ähnlich verhält es sich mit einem Schweden auf Kufen.

© Dean Mouhtaropoulos/Getty Images
© Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

Gold des Tages

Wenn Weltrekorde gebrochen werden, gibt es zwei Blickwinkel. Den des Athleten, der den neuen Rekord aufstellt, und dann noch den, der den alten innehat (und oft auf der Couch vor dem Fernseher sitzend seinem Schicksal entgegensieht). Wie schön es sein muss, wenn es ein und dieselbe Person ist. Nils van der Poel brach heute einen Weltrekord, den er vergangenes Jahr selbst aufgestellt hatte. Beim Eisschnelllauf über 10.000 Meter brauchte der Schwede 12:30 Minuten, im vergangenen Jahr war er in Heerenveen noch zwei Sekunden langsamer. Der Niederländer Patrick Roest holte Silber – mit 14 Sekunden Abstand auf van der Poel, der schon auf der 5.000 Meter-Strecke Gold holte und bei diesen Spielen bisher außer Konkurrenz läuft. "Es ist so cool", sagte van der Poel nach dem Rennen. So entspannt kann man auch sein, wenn man nur dem eigenen Rekord hinterherfahren muss.

Überraschung des Tages

Natürlich gibt es überraschenderes als einen Sieg eines deutschen Sportlers, der eine Eisbahn runterheizt. Genauer: In Peking hat bisher keine andere Nation Gold in der Eisbahn gewonnen. Hat an der Eisbahn schon ein Weißwürstchen-Stand eröffnet? Doch nur vorwärts mit über 100 Sachen aufs Glatteis, das geht noch ein bisschen verrückter. Womit wir beim Skeleton wären. Dort stürzen sich die Athletinnen und Athleten kopfüber auf die Strecke. Man stellt sich das als Laie ein wenig so vor wie die linke Spur der A9 ohne Lenkrad, aber irgendwie scheinen die Skeletonis Kontrolle über ihr Gefährt zu besitzen. Schon nach den ersten beiden Läufen lag Christopher Grotheer mit 0,7 Sekunden vor seinem Teamkollegen Axel Jungk. Das ließ sich Grotheer nicht mehr nehmen, Jungk holte Silber. Das erste deutsche olympische Skeleton-Gold überhaupt. Und schöner als mein Kollege Christoph Siemes, der heute an der Bahn stand, kann man es nicht zusammenfassen: "Die Deutschen können es auch andersrum."

© Julian Finney/Getty Images
© Julian Finney/Getty Images

Schmerz des Tages

Für Shaun White gab es gleich zwei Gründe, Tränen zu vergießen. Nach dem Wettkampf in der Halfpipe beendete er seine Riesenkarriere auf dem vierten Platz. Dreimal hatte er olympisches Gold geholt und nebenbei auch den Snowboardsport groß gemacht. Und fast hätte der 35-Jährige es den ganzen Jungs noch mal gezeigt, aber den letzten Sprung seiner Laufbahn stand er nicht mehr. 2,25 Punkte fehlten am Ende auf den Sieger Ayumu Hirano. Seine Tränen waren trotzdem eher welche der Rührung und keine der Trauer. Und auch im Interview mit der ARD wurde es noch mal kurz emotional: Als er das Logo seiner Snowboardmarke prominent in die Kamera hielt und gerührt davon erzählte, wie er mit seinen Produkten die zukünftigen Fahrer prägen wolle. Hach, schön. Um Shaun White muss sich niemand Sorgen machen.

Neues aus der Blase

Mein Kollege Nico Horn schreibt aus Peking:

"Neulich war ich noch recht spät im Pekinger Medienzentrum. Es war fast niemand mehr da, doch beim Rausgehen zur Bushaltestelle kam ich wieder an der Gute-Nacht-Frau vorbei. Ich nenne sie so, denn ich glaube, sie hat während dieser Spiele nur eine Aufgabe: Allen eine gute Nacht zu wünschen. Sie sitzt auf einem Stuhl in einem kleinen weißen Zelt, durch das alle müssen, wenn sie gehen wollen. An manchen Tagen notiert sie etwas auf einem kleinen weißen Zettel. Vielleicht doch geheime Notizen? Oder nur ein Kreuzworträtsel? Keine Ahnung, aber ich frage mich, auf wie viele Gute-Nachts sie wohl am Ende dieser Spiele kommt. Ich werde sie mal fragen."

Die Lage in China

Wer in der sogenannten Blase in Peking verweilt, hat diverse Privilegien, von denen das übrige China nicht mal träumen darf. WhatsApp und Instagram funktionieren etwa sehr gut, obwohl die Apps 2017 in China verboten wurden. Das IOC und die chinesische Führung versichern schon länger wortreich, dass die Meinungsfreiheit der Athleten auf jeden Fall gesichert sei. Gar keine Frage. Bis es mal genauer darum geht, was denn der Begriff Meinungsfreiheit eigentlich meint. Die ehemalige chinesische Shorttrackläuferin und heutige Athletensprecherin Yang Yang sagte einige Tage vor den Spielen: Natürlich dürfen die Sportlerinnen und Sportler ihre Meinung sagen. Aber sie sagte auch: "But athletes need to be responsible for what they say", was ungefähr heißt: Du darfst schon sagen was du willst. Aber pass lieber auf.

© Vincent Jannink/ANP/AFP via Getty Images
© Vincent Jannink/ANP/AFP via Getty Images

IOC-Mitglied des Tages

Fürst Albert II. von Monaco

Das Leben des Fürsten ist nicht arm an Ämtern. Albert ist Präsident des monegassischen Roten Kreuzes, Präsident des Fernsehfestivals von Monte-Carlo, Schirmherr des Zirkus von Monte Carlo und Gründer der monegassischen Verbände für Rodeln, Bob, Skeleton und dem Modernen Fünfkampf. Und seit 1985 ist er Mitglied im IOC. Wie er es als Thronfolger neben all der Arbeit noch geschafft hat, fünfmal für Monaco als Bobfahrer bei den Winterspielen anzutreten, ist verblüffend. Besonders beeindruckend ist aber die Liste an Sportarten, die das IOC als Sportarten aufzählt, denen Albert nachgeht: Leichtathletik, Rudern, Fußball, Handball, Judo, Schwimmen, Tennis, Padel, Reiten, Squash, Golf, Windsurfen, Fechten, Volleyball, Beachvolleyball, Skifahren und Moderner Fünfkampf. Vielleicht gibt es irgendwann eigene Spiele für ihn, ausgetragen auf der Formel-1-Rennstrecke in Monaco. Ausschließen wollen wir bei diesem IOC nichts. 

Medaillen des Tages

  • Ski Alpin, Super-G: Lara Gut-Berahmi (Schweiz), Mirjam Puchner (Österreich), Michelle Gisin (Schweiz)

  • Snowboard, Halfpipe: Ayumu Hirano (Japan), Scotty James (Australien), Jan Scherrer (Schweiz)

  • Eisschnelllauf, 10.000 Meter: Nils van der Poel (Schweden), Patrick Roest (Niederlande), Davide Ghiotto (Italien)

  • Skilanglauf, 15 Kilometer (klassisch): Iivo Niskanen (Finnland), Alexander Bolshunov (Russisches Olympisches Komitee), Johannes Høsflot Klæbo (Norwegen) 

  • Biathlon, 7,5 Kilometer Sprint: Marte Röisland (Norwegen), Elvira Öberg (Schweden), Dorothea Wierer (Italien)

  • Shorttrack, 1.000 Meter: Suzanne Schulting (Niederlande), Min-jeong Choi (Südkorea), Hanne Desmet (Belgien)

  • Skeleton: Christopher Grotheer (Deutschland), Axel Jungk (Deutschland), Yan Wengang (China)

Das normale Ergebnis

Jonas Dobler (Deutschland) wird 19. im 15-Kilometer-Langlauf.

Sätze des Tages 

"Wenn überhaupt, gehören die verantwortlichen Erwachsenen für immer für den Sport gesperrt! Das, was sie ihr vielleicht zugemutet haben, ist an Unmenschlichkeit nicht zu überbieten und lässt mein Sportlerherz weinen." 

Katarina Witt über die Russin Kamila Walijewa. Die 15-jährige Eiskunstläuferin wurde vor den Spielen positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet, wie die Internationale Testagentur am Freitag mitteilte. Walijewa gewann am Montag Gold im Teamwettbewerb und will am kommenden Dienstag im Einzelwettbewerb starten. Nun muss der Sportgerichtshof CAS noch vor Dienstag entscheiden, ob Walijewa gesperrt wird oder starten darf.

"No war in Ukraine."

Der ukrainische Skeletonpilot Wladislaw Heraskewitsch hielt nach dem dritten Lauf am Freitag einen Zettel in die Kameras, den wir nicht übersetzen müssen, oder?

Wir wünschen einen guten Abend!

Das war der Extraletter zu den Olympischen Spielen, Redaktionsschluss war heute um 17 Uhr. 

Haben Sie Hinweise für die nächste Ausgabe von "Olympia am Abend"? Schreiben Sie uns

Leiten Sie diesen Newsletter gerne weiter. Er lässt sich hier abonnieren

Umfrage
Wie gefällt Ihnen "Olympia am Abend"?
Sagen Sie uns Ihre Meinung!