Britische Wissenschaftler bleiben Brexit-Skeptiker I Londoner Uni streicht Rindfleisch vom Speiseplan I Weiter Wirbel um gewählten Göttinger Uni-Präsidenten I Historiker Torsten Riotte will Mittel umverteilen

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
obwohl der neue britische Premierminister Boris Johnson gut Wetter machen will, bleiben die Wissenschaftler der Insel Brexit-Skeptiker. Derweil streicht eine Londoner Universität Rindfleisch vom Speiseplan (Das ist wichtig). Steinig bleibt der Weg Sascha Spouns an die Spitze der Göttinger Universität, nun klagt ein unterlegener Konkurrent gegen das Verfahren. Im Gastkommentar fordert der Frankfurter Historiker Torsten Riotte eine Reform durch die Umverteilung von Mitteln.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Wissenschaftler bleiben Brexit-Skeptiker
Boris Johnson, der neue britische Premierminister, schafft es nicht so recht, bei den Wissenschaftlern der Insel gut Wetter für den Brexit zu machen, wie die FAZ berichtet (siehe auch Süddeutsche, Times). Bei einem Besuch des Culham Science Centre in Oxfordshire kündigte er vergangene Woche gelockerte Visa-Bedingungen für Wissenschaftler an. Wissenschaftler sollen außerdem auch ohne vorliegendes Stellenangebot einreisen dürfen. Zudem versprach Johnson, wegfallende Mittel für EU-Forschungsprogramme zu ersetzen. Der Verband der Universitätskanzler warnt seit dem Brexit-Referendum, dass bei einem „No-Deal-Brexit“ unmittelbar eine große Unsicherheit für alle EU-Staatsangehörigen an den Hochschulen entstünde, für Dozenten wie Studenten. Der Zugang zu dem milliardenhohen EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 und den EU-Strukturfonds sowie die Teilnahme am Programm Erasmus+ seien gefährdet. Aus dem Horizon-Fonds für die Jahre 2014 bis 2020 erhalten britische Forscher derzeit jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro. Am Freitag teilte das Wirtschaftsministerium mit, dass London für alle von Horizon geförderten Anträge künftig Ersatzmittel geben werde. Während Johnson am Culham Centre von der „stolzen Geschichte der britischen Innovationen“ schwärmte, die nach dem Brexit fortgesetzt werde, ließen harsche Reaktionen nicht lange auf sich warten. Der Physiknobelpreisträger Andre Geim warnte, der Brexit werde in jedem Fall schaden. „Wissenschaftler sind keine Idioten“, sagte Geim der Times. Sie wüssten, „dass Turbulenzen für viele Jahre unvermeidlich sind“.
  
 
 
Virtuelles Uni-Schaufenster
Gut einen Monat nach einer Öffnung der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) für die Öffentlichkeit ist deren Leitung zufrieden mit dem Start (Welt). Rund 2000 Nutzer hätten sich in den ersten Wochen für neue Online-Kurse der sogenannten Open vhb eingeschrieben, sagte vhb-Präsident Godehard Ruppert. Studieren gemütlich und zeitlich flexibel von zu Hause aus: Das ist die Idee der vhb, einem Verbund von 31 Universitäten und Hochschulen im Freistaat. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 bietet sie, staatlich gefördert bei einem Jahresbudget von rund sechs Millionen Euro, kostenfreie, digitale Kurse als Ergänzung zu einem Präsenzstudium für eingeschriebene Studenten. Inzwischen hat die vhb nach eigenen Angaben rund 62.000 Nutzer. Anfang Juli gab sie den Startschuss für das Projekt Open vhb. Damit öffnete sich der Verbund für Menschen, die nicht an Hochschulen immatrikuliert sind.
  
 
 
Kein Rindfleisch mehr auf dem Campus
Studenten der Londoner Universität Goldsmiths müssen laut t-online künftig auf Gerichte wie Burger und Chili verzichten, zumindest in den Mensen und Cafés auf dem Campus. Wie Goldsmiths neue Direktorin Frances Corner mitteilte, wird im Kampf gegen die Erderwärmung vom nächsten Monat an Rindfleisch aus allen Lokalen und Geschäften des Colleges verbannt. "Einen Klimanotstand auszurufen kann nicht nur leeres Gerede sein", sagte Corner. „Obwohl ich gerade erst in Goldsmiths angekommen bin, ist es offensichtlich, dass unsere Mitarbeiter und Studenten leidenschaftlich an der Zukunft unserer Umwelt interessiert sind und dass sie entschlossen sind zu helfen", sagte die Universitätsprofessorin.
 
  
   
   
   
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Personen
 
 
   
  
Kein roter Teppich für Sascha Spoun
Dem deutsch-schweizerischen Wirtschaftswissenschaftler Sascha Spoun wird der Weg an die Spitze der Georg-August-Universität Göttingen nicht gerade leicht gemacht. Schon kurz nach seiner Wahl formulierten 49 Professoren der Universität eine Protestnote gegen Spoun, der seit 2006 Präsident der Leuphana Universität Lüneburg ist. Wie unter anderem das Göttinger Tageblatt berichtet, hat nun ein im Bewerbungsverfahren unterlegener Konkurrent beim Verwaltungsgericht Göttingen eine „einstweilige Anordnung“ beantragt. Der Kläger will damit die Ernennung Spouns zum Präsidenten der Universität verhindern. Spoun soll sein Amt ab 2020 antreten. Er war bei der Findung eines neuen Präsidenten ursprünglich nicht Bewerber, sondern Berater. Der Deutsche Hochschulverband unterstützt die Klage, weil Spoun nicht das Ausschreibungsmerkmal einer „Führungspersönlichkeit, die über internationale Reputation und profunde Lehrerfahrungen verfügt“ erfülle. Die Universität Göttingen beteuert demgegenüber, Spoun sei Wirtschaftswissenschaftler und trage einen Professorentitel der Universität Sankt Gallen, da er seit 2006 Gastprofessor für Universitätsmanagement an der Universität Sankt Gallen sei.
  
 
Bildungsjournalist Uwe Schlicht gestorben
Über Kollegen berichten wir an dieser Stelle eigentlich nie. Aber hier sei eine Ausnahme erlaubt: Am Freitagabend ist Uwe Schlicht, der langjährige Bildungsexperte des Tagesspiegels, im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben. Wer war Uwe Schlicht? Die Antwort ist einfach, wie Hermann Rudolph in seinem Nachruf im Tagesspiegel schreibt: Uwe Schlicht war die Berliner Instanz für Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik. Mehr als vierzig Jahre war er im Tagesspiegel zuständig für dieses Thema, das gerade für Berlin mit seinen drei ausgewachsenen Universitäten und zahllosen anderen Bildungsinstitutionen einen besonderen Rang besitzt. Schlicht blieb dem Thema über alle Höhen und Tiefen treu, schrieb, analysierte, urteilte, ein seltenes Beispiel von Kontinuität, wurde 1971 Ressortleiter, baute seit 1991 im Tagesspiegel die einzige tägliche Bildungsseite in einer deutschen Tageszeitung auf. 5000 Artikel zählte man, als er 2002 er in den Ruhestand ging. Und als freier Journalist schrieb er noch bis 2013 seine scharfsinnigen Analysen. Ruhen Sie in Frieden, lieber Kollege.
  
 
Giffeys Dilemma
Für die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey geht es um alles. Ihre weitere Karriere hängt am Ausgang der Prüfung ihrer Promotion und ihrem Umgang mit dem Ergebnis. Den Stand der Dinge haben Anna-Lena Scholz und Martin Spiewak im Ressort WISSEN der ZEIT  aufgearbeitet.

Job: Frankfurt UAS sucht Präsident*in
Wer sich diese Aufgabe zutraut, den wollen wir hier nicht mit Details langweilen. Die Frankfurt University of Applied Sciences sucht ab 1.1.2020 eine/n neue/n Präsident*in (m/w/d). Nähere Informationen finden Sie im Stellenmarkt der ZEIT.
  
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Torsten Riotte
   
 
   
Reform durch Umverteilung
Die Diskussion über eine Reform der Arbeitssituation für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Universitäten wird derzeit durch die Themen Departmentstruktur, erhöhte Grundfinanzierung und eine Revision des Wissenschaftzeitvertragsgesetz dominiert. Eine alternative Lösung, deren Realisierungschancen weitaus größer ist, wäre eine Umverteilung der Forschungsförderung nach zwei Prinzipien. Erstens müssten die großen Förderinstitutionen wie der Bund und die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Verhältnis von befristeten Stellen zu Dauerstellen, wie es an der beantragenden Universität vorliegt, in ihre Entscheidung über die Mittelvergabe einbeziehen. Universitäten, die weniger als 10 Prozent ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Dauer finanzieren, wären von der Antragsstellung ausgeschlossen. Expansion nur mit solidem Unterbau!
Die zweite prinzipielle Änderung, die helfen würde, grundlegende Probleme zu lösen, lautet, dass die Förderinstitutionen vor allem Förderprogramme finanzieren, in denen Promovierende innovative Grundlagenforschung betreiben können. Dazu gehört, dass Promovierende über einen längeren Zeitraum gefördert würden. Finanziell ermöglicht werden soll dies durch eine mittelfristige Verringerung der Anzahl an Postdoc-Stellen.
Hinter dieser Forderung versteckt sich ein Beweggrund, der die Interessen beider Gruppen, Promovierenden und Postdocs, berücksichtigt. Statistisch hat eine Absolventin oder ein Absolvent eines geisteswissenschaftlichen Faches mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb von fünf Jahren nach dem Abschluss des Studiums eine Dauerstelle in der freien Wirtschaft, also wenn er oder sie die Universität verlässt. Die Perspektiven in der Berufswelt sind, wenn auch meist über Seiteneinstieg, nach einem geisteswissenschaftlichen Studium sehr gut.
Für alle, die an der Universität bleiben, dreht sich dieses Verhältnis um. Nicht einmal 10 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität haben eine unbefristete Stelle. Die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt jenseits der Universität unterzukommen, sinken im Laufe der Zeit. Nach der Promotion stehen sie noch recht gut. Doch die Tür in die Arbeitswelt schließt sich im Verlauf der Postdoc-Phase immer mehr. Wer nach der Habilitation oder Juniorprofessur noch im universitären System feststeckt, braucht eine große Portion Glück, um in der freien Wirtschaft unterzukommen. Ansonsten droht die Arbeitslosigkeit. Daher muss die Entscheidung, wer in der Wissenschaft längerfristig bleiben kann, zeitlich, das bedeutet in Lebenszeit, nach vorne verlegt werden.
Verliererinnen und Verlierer einer solchen Reform wären die derzeitigen Postdocs, deren Zahl durch die großen Verbundprojekte und vor allem die Exzellenzinitiative stark angestiegen ist. Daher sollen sogenannte „Advanced Research Grants“ helfen, den Abbau an Postdocstellen sozial verträglich abzufedern. Wer schon auf Drittmittelprojekten im Postdoc-Bereich geforscht hat, wäre exklusiv antragsberechtigt.
Der Vorteil der vorgeschlagenen Reformen liegt in der Tatsache, dass es auf diese Weise nach dem Prinzip des Angebots und allein aufgrund einer Umverteilung bestehender Mittel zu einer Reform kommen kann, von der alle Beteiligten profitieren, statt wie bisher über ein Befristungsgesetz Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und oftmals damit verbunden auch die jeweiligen Forschungsprojekte rücksichtlos scheitern zu lassen.

Dr. habil. Torsten Riotte ist Historiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe Universität Frankfurt a. M.
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Per Rechtsklick Youtube ist für viele Jugendliche die wichtigste Informationsquelle. Neue Rechte und junge Identitäre nutzen das für ihre Propaganda

„Ganz vorne auf der Bühne“ Die wichtigste Wissenschaftszeitschrift der Welt, „Nature“, wird 150 Jahre alt. Welche Rolle spielt sie in Zeiten voller Fake News? Ein Gespräch mit der Chefredakteurin Magdalena Skipper Sprachlos in der Schule Viele Kinder können bei der Einschulung kaum Deutsch. Der CDU-Politiker Carsten Linnemann forderte deshalb eine Vorschulpflicht und löste eine bundesweite Debatte aus. Wie groß sind die Sprachdefizite tatsächlich, und wie lassen sie sich beheben? Zwölf Fragen und Antworten zum Thema

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Studiengebühren gegen Landarztmangel
Wenn ich von Bekannten oder im Fernsehen vom zunehmenden Landarztmangel höre, dann wird mir eine Fehlsteuerung bewusst: Wir schenken mit unseren Steuergeldern angehenden Ärztinnen und Ärzten ihr nicht gerade billiges Studium. Die aber ziehen danach lieber (wer will es ihnen verdenken?) in coole Großstädte, statt aufs platte Land. Wie wäre es zum Beispiel mit Studiengebühren, die den jungen Medizinern erlassen werden, wenn sie in weniger begehrten Orten eine Praxis betreiben?
Thomas Kerstan
   
 
   
 
 
   
Viele zündende Ideen wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


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