Staunend über die Zeitläufte, deren Zeugen wir derzeit alle werden, bekannte Joschka Fischer vorige Woche vor einem internationalen Publikum in Hamburg, er habe sich nie recht vorstellen können, wie eines Tages der von vielen erwartete Übergang der Weltmacht von Amerika an China aussehen könnte. "Jetzt weiß ich es", verkündete der zu einem in großen Linien denkenden elder statesman aufgestiegene frühere Außenminister.
Auf dem "Hamburg Summit – China meets Europe", bei dem sich Politiker, Unternehmer, Manager und Wissenschaftler alle zwei Jahre treffen, wunderte sich nicht nur Fischer über die Entscheidung Donald Trumps, an seinem ersten Tag als neuer US-Präsident das Transpazifische Handelsabkommen TPP aufkündigen zu wollen. "Amerikas größtes Geschenk an China", spottete Joschka Fischer.
Denn im Freihandelsabkommen, auf das sich die Regierung Obama nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen mit zwölf asiatisch-pazifischen Staaten verständigt hat, geht es nicht nur um Steuern und Zölle. Es geht auch um gemeinsame Arbeits- und Umweltstandards und um den Schutz geistigen Eigentums.
Es geht, mit anderen Worten, darum, wer im 21. Jahrhundert die Regeln der Globalisierung bestimmt. Und das sollte nach dem Willen Obamas nicht China sein. China sollte sogar ausdrücklich dem Kreis der TPP-Länder nicht angehören. Das Abkommen war Teil des von Obama verkündeten "pivot to Asia", der später in "rebalancing to Asia" umbenannten außenpolitischen Wende der Vereinigten Staaten vom Atlantik zum Pazifik.
Amerika und Großbritannien sagen der Globalisierung Adieu
Dies alles will Donald Trump nun mit einem Federstrich beenden. Nicht weil ihm China am Herzen liegt. Im Gegenteil, er droht der Volksrepublik mit Strafzöllen und Investitionsverboten. Er könnte, wenn er seine Drohungen wahrmacht, einen regelrechten Handelskrieg entfesseln. Nein, Trump träumt den alten protektionistischen Traum, man müsse das eigene Land nur ordentlich abschotten, dann würden keine Jobs mehr verloren gehen, die Leute hätten wieder mehr Geld in der Tasche und die Wirtschaft blühte auf.
Ein historischer Irrtum, wie jeder Ökonom ihm gern vorrechnen wird. Aber Protektionismus ist gegenwärtig nicht nur in den USA en vogue, er hat auch den Briten die Köpfe vernebelt und eine Mehrheit von ihnen für den Abschied aus der Europäischen Union mit ihrem freien Markt für Waren, Kapital und Arbeitskräfte stimmen lassen.
Als stünde die Welt Kopf: Amerika und Großbritannien, bisher die Bannerträger eines ungehinderten Welthandels, sagen der Globalisierung Adieu. Das formell immer noch kommunistische China dagegen steigt zum Vorkämpfer des Freihandels auf. "China befürwortet eine multipolare Welt und die Globalisierung", verkündete auf dem Hamburg Summit eine strahlende Vizepremierministerin Liu Yandong. Protektionismus hingegen führe dazu, dass alle nur verlören.
Wie wahr! Früher kamen solche Töne aus Washington und London.
China geht in die Offensive
Die Chinesen werben schon seit Längerem für ein Gegenabkommen zu TPP, die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Sechzehn asiatische Länder, darunter Indien, haben sich ihr bereits angeschlossen. Nicht dabei: die USA.
Strategisch mindestens so bedeutsam ist das Projekt einer Neuen Seidenstraße, die China auf dem Land- und auf dem Seeweg mit Europa verbinden soll. Staatschef Xi Jinping selbst hat die Initiative im Herbst 2013 verkündet, seither genießt sie in Chinas Außen- und Handelspolitik die allerhöchste Priorität.
Entlang der neuen Seidenstraße sollen Straßen und Häfen gebaut, Eisenbahnlinien verlegt, Fabriken gegründet und Energiequellen erschlossen werden. China stellt über seine Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und einen speziell geschaffenen Seidenstraßen-Fonds dafür Milliarden zur Verfügung.
Fast ungestüm geht China unter Xi Jinping in die Offensive. "Während Europa streitet und Amerika sich unter seinem neuen Präsidenten wohl mehr auf sich selbst beziehen wird, hat China einen Gesamtplan, der viele Länder und Regionen in eine chinesische Strategie einbindet und dabei nebenbei auch viele derer versammelt, die kritisch zur Dominanz der Vereinigten Staaten stehen", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Ein Gewinner der Globalisierung war China bisher schon. Es könnte auch der eigentliche Sieger der amerikanischen Präsidentschaftswahl werden. |
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