| | © [M] ZEIT ONLINE/Hannelore Foerster | Kaum ist die deutschlandweite Verstimmung um den Preis der Wiesnmaß abgeklungen und die armen, degradierten Bahnrestaurantmitarbeiter der SBB können Dirndl und Lederhosen wieder ablegen, ist wieder Buchmesse in Frankfurt. Seit mehr als 20 Jahren spielen diese Inhalte, die Saisonwechsel bezeichnen, in meinem Leben eine Rolle. Ersteres, weil ich zwar in Franken, doch in Bayern wohne und zweites, weil ich ja auch was mit Büchern und so. Während ich nur einmal auf der Wiesn war in meinem Leben, um mit meinem Dienstherren Steckerles-Fisch essen zu gehen und sonst nichts mit dieser Grande Fête zu tun hatte bisher, bin ich doch jedes Jahr irgendwie, unverhofft, doch dann wirklich, ja, wahrhaftig wieder in den Hallen, die die World bedeuten. Gefragt, was es braucht, um den Besuch dort zu überleben, antworte ich: Gute Nerven, noch besseres Schuhwerk und einen Grund für den Aufenthalt. Reines Umhereiern macht nur depressiv auf der Messe, lässt einen verstimmt und ratlos werden, wieder eine Tasche von 3Sat und wieder einen Becher von Arte einsammeln und das noch vor dem ersten Langnese-Softeisständer. Ich habe da mal einen Text für eine Slam-Bühne drüber gemacht und alles, was man eben an der Messe verachtet, darin aufgezählt. Der Text ist ein Angeber. Auf der Messe sind alle Texte Angeber, alle Menschen riechen ein bisschen nach Schweiß, auch die eigenen Verleger, und man fühlt sich nur wohl, wenn man nah am zivilisatorischen Feuer steht, also wenn man einen Termin oder eben einen Grund hat, die Messe zu besuchen. Am besten sind mehrere Termine. Außen ist es kalt, in den Hallen warm. Am besten macht man sich Stullen, sonst isst man den ganzen Tag nur Quatsch. An dem einen Stand gibt es Wodka und Kekse, am anderen Gummibären und Brotchips. Wer hat eigentlich Brotchips erfunden? Das müssen Leute gewesen sein, die Reste von Brotscheiben in ihren Messerucksäcken gefunden haben, die sogar die Enten in dem Becken vor der Leipziger Messe nicht mehr essen wollten. Voilà! Brotchips für den Herbst. Das „Sicher-ist-sie-berühmt“-Ahnen Ich persönlich gehe von der Frankfurter Buchmesse nie heim ohne zwei Dinge: eine Bratwurst im Bauch und einen Ring am Finger. Das wirklich Schönste an der Messe sind die Silber- und Schmuckhändler im Innenhof. Die verkaufen zum Teil besondere Stücke aus Afghanistan, schweres Silber, und die haben angenehm schlechte Laune. Die sind normal. Auf der Messe sind alle durchdynamisiert, nur an den Rändern fällt die Stimmung ab. Da, wo die Hallen „ausfransen“, die Stände nicht mehr dicht an dicht stehen, die Menschen sich schon mal wie Schulsportschwänzer auf den Boden hocken mit ausgestreckten oder angezogenen Beinen und Rücken an der Wand. Da sind die Menschen erschöpft und am Limit angekommen, mit bunten Taschen behängt. Sie haben sich dazu hinreißen lassen, Plakatrollen einzustecken, einfach nur, weil sie kostenlos waren. Überhaupt hat die Messe das so an sich: Man sagt nicht nein, man nimmt. Die Messe führt direkt an die Todsünden heran, scheint mir. Maßlosigkeitsbingo! Es ist gut, vor der Messe mal die Beilagen der großen Zeitungen zu den Neuerscheinungen gelesen und wieder vergessen zu haben. So hat man ein angenehmes „Den-sollte-ich-kennen“-Gefühl oder ertappt sich beim „Sicher-ist-sie-berühmt“-Ahnen. Große Fotos an den Ständen der großen Verlage helfen einem dann auf die Sprünge, und lustig ist, wenn Cornelia Funke in Farbe und echt vor ihrem Schwarzweißfoto sitzt. Oder auch Leute, die eigentlich keine Bücher schreiben (sollten), wie Thomas Gottschalk oder TV-Köche. Oder Nazis. Die haben mittlerweile große Standflächen und bauen sich so schwarze Arenen auf. Leider immer in der Nähe der kleinen Queer- und LGBT-Verlage, was ein Affront ist. Und mich immer wieder am Verstand der Messeausrichter zweifeln lässt. ...
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