Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Vergangenes Jahr war ich in Australien, am Uluru. Die europäische Kolonialisierung dieses Ortes zu sehen, hat mich beschämt. Wir denken zu selten und nicht konsequent genug über unser aller Globalgeschichte nach.
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler publizieren mehr, als sie herausfinden. Die Wahrheit ist, dass man für einen intellektuellen Durchbruch, einen neuen Blick auf die Dinge, eine präzise Analyse, ein wasserdichtes Forschungsergebnis oft mehrere Jahre benötigt. Auf den Publikationslisten rauscht es vor lauter Wiederverwertung bereits gewusster Dinge. Nicht-Schreiben kostet nichts – jedenfalls dann, wenn Gutachter*innen aller Art die Quantität der Publikationen konsequent als Auswahlkriterium streichen.
Lektüre muss sein. Welche?
So wunderbar, wie alle sagen: Elena Ferrante (Neapolitanische Saga), Joachim Meyerhoff (Die Zweisamkeit der Einzelgänger), Colson Whitehead (Underground Railroad). Zuletzt enttäuschend: Juli Zeh (Leere Herzen), Olga Grjasnowa (Gott ist nicht schüchtern). Leider aktuell: Susan Faludi (Backlash). Jüngste feministische Entdeckung: Robyn Davidson (Tracks). Eine Autorin, die mir die richtigen Fragen stellt und nicht alle Antworten kennt: Hannah Arendt (Eichmann in Jerusalem).
Und sonst so?
„Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.“ Ein guter, rätselhafter Satz aus Lessings Nathan.